Hamburger Morgenpost

Soll der HSV alle AfD-Fans feuern?

Warum der brisante Antrag auf Verbannung aus dem Verein nur der Möchtegern-kleine-Leute-Partei hilf

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Axel Formeseyn schreibt Klartext:

Die Hamburger Band Kettcar sang einmal: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Lieber Peter Gottschalk, ich verstehe ja deine Beweggr nde, bei der HSV-Mitglieder­versammlun­g am 18. Februar dar ber abstimmen lassen zu wollen, Af -Mitglieder aus dem Verein auszuschli­eßen. Und – logo – ich teile deine Meinung zu dieser – hüstel – Partei. Und – keine Sorge – ich will auch nicht Politik von Fußball trennen. Das geht nämlich gar nicht.

Aber ich teilte schon vor Jahren auch deine Ansichten zur Ausglieder­ung, zur Kommerzial­isierung und dem ganzen anderen HSVMist. Doch gerade mit dem Versuch, krampfhaft unsere oft vielleicht naive Sicht der Vereinsdin­ge durchzupei­tschen, haben wir uns immer tiefer in die Scheiße geritten und viel zu viele Leute nur noch mehr in die Arme von Kühne-Kohle und HSV AG getrieben. Was dabei rauskam, ist ja bekannt … Seufz!

Und, weißt du was? So was in der Art befürchte ich so ein bisschen auch für den 18. Februar. Lassen wir es nicht zu, dass unser Klub weiter gespalten, der Antrag abgelehnt, einer wie du als „Gutmensch“vorgeführt wird und diese Möchtegern-kleine-LeuteParte­i durch solche Anträge einmal mehr Aufmerksam­keit bekommt und sich als verraten und verfolgt und Opfer stilisiere­n darf.

Trotzdem hat der Vorstoß etwas Gutes. Wenn der HSV sich endlich bewegt.

Ja, wir haben viel erreicht. Es war und ist nicht selbstvers­tändlich, dass der Großklub HSV nach dem Aufploppen des so called „anderen Vereins“nicht dauerhaft zum rechten Klub degenerier­t ist, der er Ende der 80er/ Anfang der 90er durchaus zu werden drohte. Der Zeitgeist, vor allem aber der Supporters

Club hat viel bewegt. Während sich eine Menge Leute beim Lokalrival­en ins gemachte Nest setzten, Links als Lifestyle auf auten und über Nazi-Dödel rund um den Volkspark spotteten, haben wir beim HSV mühsam erstritten, erkämpft, dass ebenjene rechten Spacken im Volkspark immer leiser wurden. Nicht nur mit Worten, aber vor allem. Dieser Kampf ist aber nicht vorbei. Im Gegenteil. Er geht wieder los. Gerade bei uns. Darum hilft es jetzt nicht, auf alle möglichen Leute zu schießen, die sich momentan der Af näher als allen anderen Parteien fühlen. Im Gegenteil.

Was wir stattdesse­n jetzt brauchen, das ist ein HSV, der sich nicht nur auf von oben angeordnet­en Bundesliga­Motto-Tagen gegen Rassismus positionie­rt. Und ja doch, ich kenne das HSV-Engagement für Gef üchtete. Trotzdem: Dieser HSV muss tagtäglich – gerade heute – noch viel aktiver und deutlicher vorleben und kommunizie­ren, wofür er eigentlich stand und steht. Nicht nur auf dem Rasen. Auch und besonders neben dem Rasen und auf den Tribünen. Wer dumpfe rassistisc­he Nazi-Scheiße in der Birne hat und/oder öffentlich von sich gibt, mag vielleicht einen HSV-Schal, vielleicht auch einen dusseligen blau-weiß-schwarzen Zylinder tragen, der/die mag meinetwege­n sogar landauf, landab alle Spiele der blau-weiß-schwarzen Gurken gucken, sich vielleicht sogar „stolzer HSV-Fan“nennen und was von „Treue“und „Ehre“faseln, okay, okay! Lässt sich nicht ändern. Volkssport Fußball. Abbild der Gesellscha­ft ... Seufz! Aber, und darum geht es mir hier: Er (oder auch sie) wird niemals ein echter HSVer sein! Denn echte HSVer bekennen sich zur Raute! Zum Blauen Peter! Zu restlos „ALLE Mann (und Frau) an Bord!“Zur Hansestadt! Zu Hamburg! Zum Tor zur Welt! Zur Weltoffenh­eit! Jochen Meinke, die Seelers, die Dörfels und all die anderen Fußballer aus einfachste­n Verhältnis­sen, die immer alles gegeben und dabei niemals Menschlich­keit und Fremdenfre­undlichkei­t vergessen haben! All die Spieler aus nahezu aller Herren Länder, die unser Trikot, unsere Rothose, unsere blau-weißschwar­zen Stutzen trugen und tragen! Gestern, heute, morgen! Wir hatten verdienstv­olle schwule Präsidente­n, die von Nazis weggesperr­t wurden! Unsere Heimat Hamburg-Rotherbaum war vielleicht DAS Zentrum jüdischen Lebens in Hamburg! Im Vergleich zum Bevölkerun­gsanteil von Juden in Hamburg hatte der HSV Anfang der 1930er Jahre doppelt so viele jüdische Mitglieder! Viele Jahre bevor die Nazis dort einmarschi­erten, gastierten wir in freundscha­ftlicher Mission – übrigens auf Einladung eines jüdischen HSV-Gönners – in Paris! Wir waren der erste deutsche Klub überhaupt, der nach dem Krieg im Ausland – in Portugal – spielen durfte! Wir waren der erste deutsche Klub, der freundscha­ftsspielen­der Weise durch Amerika tourte! Wir waren der erste Klub, der seine Nazi-Vergangenh­eit im Rahmen einer Ausstellun­g im nach wie vor großartige­n HSV-Museum aufarbeite­te.

Und nicht nur darum halte ich es für gefährlich, eine bestimmte Personengr­uppe auszuschli­eßen und sie nur weiter in die Arme dieser Rattenfäng­erpartei zu treiben. Ich möchte, dass wir die auf lären! Mit einer klaren Position, wer oder was unser – und auch ihr – HSV eigentlich war, ist und in Zukunft sein wird. Dieser Klub muss seiner Geschichte Rechnung tragen und hanseatisc­he Werte auf und neben dem Rasen vehement vertreten und sich in aller Konsequenz – auch heute, gerade heute – jeglichen rassistisc­hen, stumpf nationalis­tischen, menschenve­rachtenden Tendenzen mutig entgegenst­ellen.

Und wenn dann diverse Arschnasen nach und nach das Gefühl bekommen, dass das vielleicht ja gar nicht mehr ihr HSV ist – vielleicht ja nie war –, umso besser!

NAZIS R US – auf jeden Fall, vor allem aber aus den Köpfen!

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Zusammenha­lt ist für jede Mannschaft eine wichtige Tugend. Hier demonstrie­rt vom BVB und dem HSV. Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Ham urg...
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Am 18. Februar stimmen die HSV-Mitglieder ab. D eses Sch ld hängt m Volkspark.

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