Hamburger Morgenpost

Unsere Fischläden sterben aus

Nach 73 Jahren schließt „Fische Faerber “. Immer mehr Hamburger kaufen Lachs und Forelle im Supermarkt

- JÜRN-JAKOB OESTERLIN fm.juern.oesterlin@mopo.de

Ausgerechn­et in Hamburg geben immer mehr Besitzer auf. Nach 73 Jahren muss jetzt Ursula Faerber ihr Geschäft schließen

Die Hamburger essen immer mehr Fisch – doch Hamburgs Fischläden werden immer weniger. Nach 73 Jahren schließt heute „Fische Faerber“, der Laden von Ursula Faerber (80), in Barmbek. Die MOPO hat dem Traditions­geschäft einen letzten Besuch abgestatte­t.

Es ist noch einmal voll geworden. Ursula Faerber reicht Teller mit Fischfrika­dellen und Kartoffels­alat an die hungrigen Mittagsgäs­te, Schälchen mit den unterschie­dlichsten Fischsalat­en wechseln den Besitzer. Doch ab heute ist damit Schluss. Nach 73 Jahren muss der Laden nun schließen. Und die Inhaberin hat sich den Ruhestand mit ihren 80 Jahren mehr als verdient.

Das Mobiliar im Fischladen unweit des Barmbeker Bahnhofs ist ein wenig in die Jahre gekommen. Die drei Stehtische, die den Besuchern als Esstische dienen, rosten bereits, auf dem Verkaufstr­esen von 1960 steht eine Schale mit Plastikäpf­eln aus längst vergangene­n Tagen. Ein wenig wirkt der Laden wie aus der Zeit gefallen.

Doch die Auslage ist gefüllt mit selbst gemachten Salaten, im Schaufenst­er liegt der frische Fisch aus – und den Kunden läuft beim Anblick das Wasser im Mund zusammen.

Ständig betreten Leute den Laden, einige bringen sogar Blumen vorbei. Jürgen Stehr (80) ist extra aus Neugraben gekommen, um Tschüs zu sagen. „Es ist schade, dass der Laden schließen muss. Wir haben hier oft unseren Fisch gekauft.“

Seit 1945 existiert das Geschäft an der Fuhlsbüttl­er Straße. 1954 fing Ursula Faerber im Laden ihrer Schwiegere­ltern an zu arbeiten. Nun wurde der Mietvertra­g nicht verlängert. Das Gebäude wird abgerissen, auf dem Gelände ist ein Hotel geplant. Am 1. März beginnen die Bauarbeite­n.

Nein, traurig sei sie nicht, dass sie den Laden schließen muss, sagt die Chefin. „Es ist nun einmal so, wie es ist. Was soll man da machen?“Ihr Sohn wird das Geschäft mit dem Fisch zwar fortführen, allerdings mit vier mobilen Verkaufsst­änden auf Märkten in Hamm und Bramfeld.

Der gesellscha­ftliche Wandel ist auch am Geschäft der Faerbers nicht vorübergeg­angen. Denn: Die Hamburger kaufen ihren Fisch kaum noch im kleinen Laden, sondern überwiegen­d im Supermarkt oder beim Discounter. Der kleine Fischladen an der Ecke ist vom Aussterben bedroht. Noch vor zehn Jahren gab es laut Statistika­mt Nord in Hamburg 78 Fischfachg­eschäfte, wenn man die mobilen Verkaufsst­ände mitrechnet. Jetzt sind es nur noch 55.

Für den Schwund gibt es viele Gründe. Ein mangelnder Fischverze­hr der Hamburger gehört allerdings nicht dazu. Nach Angaben des Statistika­mts Nord liegt der Pro-KopfVerbra­uch bei 6,3 Kilogramm pro Jahr und damit etwa ein Kilogramm über dem Bundesdurc­hschnitt.

Doch viele kleine Läden können mit der übermächti­gen Konkurrenz wirtschaft­lich nicht mithalten. Laut Fischinfor­mationszen­trum sind es vor allem die Supermärkt­e und Discounter mit ihren attraktive­n Preisen, die für den hohen Absatz sorgen.

Inzwischen werden 30 Prozent der Fische und Fischerzeu­gnisse in Hamburg von Discounter­n verkauft. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag der Absatz bei vier Prozent. Gleichzeit­ig sank der Anteil von Fischeinkä­ufen im Fachgeschä­ft von 26 auf 18 Prozent. Tendenz sinkend.

Ursula Faerber zerlegt mit geübten Handgriffe­n einen Seelachs in seine Einzelteil­e. Ein kleines Abschiedsg­eschenk für einen der treuen Stammkunde­n. Ihnen verdankt sie es, dass das Geschäft bis zum Schluss so gut gelaufen ist.

Und trotzdem ist jetzt endgültig Schluss. Das Mobiliar wird entsorgt, alles, was nicht verkauft wird, wandert in den Müll. Ab heute bleibt die Ladentür für immer geschlosse­n. Die Kunden werden die Faerbers schmerzlic­h vermissen.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany