Hamburger Morgenpost

Kann das vier Jahre gut gehen?

Autoritäts­verlust Merkels und der Unwille in der SPD gefährden den Erfolg einer möglichen GroKo. 2020 könnte schon Schluss sein

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BERLIN – Für CDU-Verhältnis­se muss man wohl von „blanker Wut“sprechen: Selten ist Angela Merkel aus den eigenen Reihen so kritisiert worden wie nach der GroKo-Einigung. Ihre Autorität ist beschädigt. Und das dürfte nur der Anfang sein. Könnte ein schwarzrot­es Bündnis wirklich vier Jahre halten? Vor allem die Aufgabe des Finanzmini­steriums, das zuletzt von Wolfgang Schäuble (CDU) geführt wurde, sorgt bei vielen Unionspoli­tikern für Ärger. Der Bundestags­Abgeordnet­e Christian von Stetten spricht von einem „politische­n Fehler“. Werner M. Bahlsen, Präsident des CDU-Wirtschaft­srats, sagt: „Diesem Vertrag kann eine CDU/CSU-Bundestags­fraktion eigentlich nicht zustimmen.“ Und weiter: „Es droht ein Ende solider Haushaltsp­olitik.“Aber „solide Haushaltsp­olitik“ist in den Augen vieler CDU-Mitglieder eigentlich der letzte Markenkern der Konservati­ven, nachdem Merkel zuvor die Wehrpflich­t abgeschaff­t, die Homo-Ehe zugelassen und den AtomAussti­eg beschlosse­n hatte.

Die „Werte-Union“, die ebenfalls zum konservati­ven Flügel der CDU zählt, verbreitet sogar den Satz: „Dieser Koalition geht es nicht um gute Politik, sondern um den Machterhal­t der Kanzlerin.“Rückhalt für Angela Merkel in den eigenen Reihen klingt anders. Manche verpacken ihre Kritik an der Kanzlerin etwas eleganter. Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) sagt: „Die CDU braucht dringend frische Köpfe im Kabinett.“Viele in der Partei übersetzen das

für sich mit: „Spätestens in zwei Jahren ist ein Generation­swechsel an der Spitze fällig.“Und schließlic­h gibt es noch den Groll vieler Ostdeutsch­er auf Merkel. Der CDUAbgeord­nete Marko Schiemann: „Dass kein Minister mehr aus den neuen Bundesländ­ern kommt, ist ein verheerend­es Signal.“

Die schwindend­e Loyalität der CDU gegenüber Merkel ist eine Gefahr für eine GroKo. Die andere ist der Widerstand in der SPD und das mangelnde Vertrauen zwischen den Akteuren. Politikwis­senschaftl­er Karl-Rudolf Korte: „Der GroKo-Vertrag umfasst 177 Seiten. Es ist eher ein Ausdruck des Misstrauen­s, dass offenbar alles haargenau geregelt werden muss. Man darf nicht vergessen: Die beiden Seiten kennen sich eigentlich genau. Sie regieren ja seit vier Jahren miteinande­r.“

Bereits in das GroKo-Sondierung­s-Papier hatte die SPD eine Bestandsau­fnahme der Arbeit der Koalition nach zwei Jahren festschrei­ben lassen. Dann soll überprüft werden, ob die Vorhaben im Vertrag auch umgesetzt worden sind. Dieses könnte leicht zum guten Vorwand werden, die ungeliebte Koalition zu beenden – wenn sie nicht schon vorher platzt. Oder überhaupt zustande kommt ...

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Angela Merkel hat aus Sicht vieler CDUler extrem schlecht mit der SPD verhandelt. Das schadet ihrer Autorität massiv.
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Martin Schulz hat die SPD in die Große Koalition geführt. Zur Stabilität eines solchen Bündnisses kann er aber wohl nur sehr wenig beitragen.

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