Hamburger Morgenpost

Die Spiele als PR-Show

Das IOC braucht die symbolträc­htigen Bilder dringend. Sie sollen ablenken von Problemen wie Doping und Korruption. Im Mittelpunk­t: Präsident Thomas Bach

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Viele Sportfürst­en haben sich nach dem Friedensno­belpreis verzehrt. Die FIFA-Präsidente­n João Havelange und Sepp Blatter buhlten vergeblich darum. Immer wieder hatte Blatter damit kokettiert. Den Friedensno­belpreis fand er angemessen für sich und die FIFA. Inzwischen läuft ein Strafverfa­hren gegen ihn, und das System des Gebens und Nehmens, das Havelange und Blatter aufgebaut haben, wird von der amerikanis­chen Justiz zerschlage­n.

Juan Antonio Samaranch, der das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) zwei Jahrzehnte führte, heuerte sogar Lobbyisten an, um das Nobelpreis­komitee zu beeinfluss­en. Ein norwegisch­er Journalist enthüllte die Aktion kurz vor den Olympische­n Winterspie­len 1994 in Lillehamme­r – und Samaranch wurde fortan im Gastgeberl­and verhöhnt. Statt ihn zu feiern, erinnerten die Medien genüsslich an Samaranchs Vergangenh­eit als faschistis­cher Sportminis­ter. Das schmerzte.

Samaranchs olympische­m Ziehsohn Thomas Bach, der das IOC 2013 als Präsident übernahm, werden ebenfalls Nobelpreis-Ambitionen nachgesagt. Bach hat das IOC strategisc­h als Partner der Vereinten Nationen aufgestell­t. Die IOCPropaga­nda läuft seit Monaten auf Hochtouren, so als könne dieser gemeinsame Einmarsch von Nordund Südkoreane­rn, gestern im temporären Olympiasta­dion von Pyeongchan­g vollzogen, den Weltfriede­n retten. Dabei hat es in der Vergangenh­eit mehrere solcher Momente gegeben, dreimal bei Olympische­n Spielen (Sydney, Athen,

Turin), auch bei

Asienspiel­en und anderen

Großverans­taltungen.

Das IOC braucht derlei symbolträc­htige Bilder dringend.

Sie sollen ablenken von den fundamenta­len Problemen des Olympiabus­iness. Vom russischen Staatsdopi­ngsystem, das die Ergebnisse der Winterspie­le 2014 in Sotschi ad absurdum führte. Die Ergebnisli­sten von Sotschi werden weiter durcheinan­dergewürfe­lt – vor Gericht und bei weiteren Nachkontro­llen der eingefrore­nen Dopingprob­en. Wobei man nichts, aber auch gar nichts glauben sollte. Denn das angebliche Dopingkont­rollprogra­mm ist gescheiter­t. Saubere Olympiaspo­rtler, es soll doch einige geben, wurden vom IOC nicht geschützt. Der Wettbewerb war kein Wettbewerb, sondern eine Farce – und ist es zu großen Teilen noch immer.

In Pyeongchan­g darf dennoch eine große russische Mannschaft starten, obwohl die Olympische Charta den IOC-Bossen alle Macht gibt, das russische Nationale Olympische Komitee komplett und rigoros zu suspendier­en. Das hätte

Saubere Olympiaspo­rtler, es soll doch einige geben, wurden vom IOC nicht geschützt.

Jens Weinreich

schon 2016 bei den Sommerspie­len in Rio geschehen müssen, und erst recht bei diesen ersten Winterspie­len seit dem Sotschi-Desaster. Doch Thomas Bach wollte das nicht. Und Wladimir Putin gefiel das. Mit dem faulen Kompromiss kann der Kreml-Herrscher leben.

Nicht nur Doping bestimmt die Schlagzeil­en. Nie zuvor in der Geschichte des Sports ermitteln so viele Staatsanwa­ltschaften. Nie zuvor kooperiere­n so viele Justizorga­ne über Ländergren­zen hinweg. Es gilt, die Vergabe Olympische­r Spiele, von Weltmeiste­rschaften im Fußball, in der Leichtathl­etik und andere dubiose Vorgänge aufzukläre­n – und es geht in fast allen Fällen um den Anklagepun­kt Bildung kriminelle­r Vereinigun­gen. Staatsanwä­lte bezeichnen das IOC-Geschäft mit den Spielen als „Trampolin der Korruption“. Die FIFA-Verbrechen werden auf Grundlage eines Sondergese­tzes zur Bekämpfung von Mafiagrupp­ierungen durchgezog­en.

Wer derlei Fakten leugnet, fälscht die Wahrheit. Für etliche Weltverbän­de, für viele TopFunktio­näre geht es um alles. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.

Das IOC schlittert von einer Krise in die nächste. Bach und seine Propagandi­sten verbreiten die krudesten Thesen, sprechen von bedauerlic­hen Einzelfäll­en und stellen das IOC als Opfer dar. Von den schönen Bildern und täglich neuen Dramen, die die weltgrößte Showverans­taltung in den kommenden zwei Wochen produziert, lassen sich immer weniger Menschen blenden. Und das ist gut so. Deshalb gehen in aufgeklärt­en Nationen fast alle Olympia-Referenden verloren, blieb auch Hamburg 2024 ein Traum.

Gewiss hat das IOC in größter Not Kurskorrek­turen für künftige Olympische Spiele vorgenomme­n. Ob diese Maßnahmen greifen und ernsthaft umgesetzt werden, wird man erst in einigen Jahren verlässlic­h bewerten können.

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 ?? ?? Chong Su Hyon (l./Norden) und Park Jong Ah (M./Süden) aus dem vereinten koreanisch­en Eishockey-Team übergeben die Fackel an Eiskunstla­uf-Star Kim Yuna.
Chong Su Hyon (l./Norden) und Park Jong Ah (M./Süden) aus dem vereinten koreanisch­en Eishockey-Team übergeben die Fackel an Eiskunstla­uf-Star Kim Yuna.
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IOC-Chef Thomas Bach sagte: „Nur wer die Regeln einhält und sauber bleibt, kann seine olympische Leistung wirklich genießen.“
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Doppelgäng­er des nordkorean­ischen Machthaber­s Kim Jong Un und von US-Präsident Donald Trump

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