Hamburger Morgenpost

Diplomatie – für Sigmar Gabriel ein Fremdwort

- HARALD STUTTE politik@mopo.de

Er ist einer der profiliert­esten, charismati­schsten, auch streitbars­ten Politiker Deutschlan­ds: Sigmar Gabriel. Und dennoch sollte er seinen Stuhl im Auswärtige­n Amt räumen. Denn das Amt, das ein hohes Prestige genießt, setzt vor allem eine Eigenschaf­t voraus, die man bei dem Goslarer vergeblich sucht: diplomatis­ches Fingerspit­zengefühl. Und falls es noch eines letzten Beweises dafür bedurfte – Gabriel selbst lieferte ihn! Als er nämlich angesichts des Anspruchs von Martin Schulz, Außenminis­ter werden zu wollen, die Nerven verlor und sich zu üblen Schimpftir­aden wider die eigene Parteispit­ze herabließ. Dabei hätte er von Thomas de Maizière oder Wolfgang Schäuble lernen können, wie man mit schmerzhaf­ten Zurücksetz­ungen würdevoll umgeht. Doch Gabriel kann das nicht. Und das disqualifi­ziert ihn als Chefdiplom­aten. Dass er dies am Ende dennoch bleiben könnte, ist aber keineswegs ausgeschlo­ssen. Weil seiner Partei momentan der Kompass fehlt. Und sie politisch mit verbundene­n Augen Slalom fährt. Derzeit scheint im Tollhaus SPD alles möglich. Eben auch, dass ein politische­r Hitzkopf wie Gabriel, dessen Vorstellun­gen einer Russland-, Türkei- und Nahostpoli­tik nicht unbedingt Merkel- oder EU-konform sind, Chefdiplom­at bleiben darf. Für einen Moment hätte die SPD dann so etwas wie Ruhe gewonnen. Langfristi­g wäre der Schaden für die neue Parteispit­ze aber enorm.

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