Diplomatie – für Sigmar Gabriel ein Fremdwort
Er ist einer der profiliertesten, charismatischsten, auch streitbarsten Politiker Deutschlands: Sigmar Gabriel. Und dennoch sollte er seinen Stuhl im Auswärtigen Amt räumen. Denn das Amt, das ein hohes Prestige genießt, setzt vor allem eine Eigenschaft voraus, die man bei dem Goslarer vergeblich sucht: diplomatisches Fingerspitzengefühl. Und falls es noch eines letzten Beweises dafür bedurfte – Gabriel selbst lieferte ihn! Als er nämlich angesichts des Anspruchs von Martin Schulz, Außenminister werden zu wollen, die Nerven verlor und sich zu üblen Schimpftiraden wider die eigene Parteispitze herabließ. Dabei hätte er von Thomas de Maizière oder Wolfgang Schäuble lernen können, wie man mit schmerzhaften Zurücksetzungen würdevoll umgeht. Doch Gabriel kann das nicht. Und das disqualifiziert ihn als Chefdiplomaten. Dass er dies am Ende dennoch bleiben könnte, ist aber keineswegs ausgeschlossen. Weil seiner Partei momentan der Kompass fehlt. Und sie politisch mit verbundenen Augen Slalom fährt. Derzeit scheint im Tollhaus SPD alles möglich. Eben auch, dass ein politischer Hitzkopf wie Gabriel, dessen Vorstellungen einer Russland-, Türkei- und Nahostpolitik nicht unbedingt Merkel- oder EU-konform sind, Chefdiplomat bleiben darf. Für einen Moment hätte die SPD dann so etwas wie Ruhe gewonnen. Langfristig wäre der Schaden für die neue Parteispitze aber enorm.