Wer hat an der Uhr
Peter Mayer* kann es nicht fassen. Erst gestern hat er sein Kompakt-SUV bei einem Vertragshändler abgeholt, ein Fahrzeug aus dem Leasingbestand der Firma, ein paar Monate alt, 11 000 Kilometer auf der Uhr. Doch als er jetzt den Motor anlässt, zeigt der Kilometerzähler urplötzlich 16 000 an. 5000 Kilometer und fast ein Drittel mehr als am Tag zuvor auf dem Händlerhof.
Mayer konfrontiert das Autohaus, das zunächst abwiegelt. Doch als er mit Klage droht, unterbreitet man ihm 1000 Euro Preisnachlass, wenn er die Sache ruhen lasse. Mayer geht auf das Angebot ein, weil ihm eine juristische Auseinandersetzung zu langwierig erscheint.
Doch es bleibt ein Verdacht: Selbst beim Händler des Vertrauens ist man vor Betrug nicht geschützt. Tachomanipulation ist offenbar nicht nur das Metier von im Internet auffindbaren „Justierern“oder zwielichtigen Hinterhofwerkstätten. Das Angebot des Autohauses kommt einem Schuldeingeständnis gleich.
Nach Schätzungen des ADAC basierend auf Ermittlungsergebnissen der Polizei wird an rund einem Drittel der in Deutschland gehandelten Gebrauchtwagen der Tacho manipuliert. „Da es sich um eine Schattenwirtschaft handelt, gibt es keine exakten Zahlen“, räumt der Münchner Autoclub ein. Doch stimmen die Annahmen, dann wurden allein 2017 angesichts der 7,3 Millionen Besitzumschreibungen über 2,4 Millionen einschlägige Straftaten begangen. Die Polizei geht von einem durchschnittlichen Schaden von 3000 Euro aus. Das wären 7,2 Milliarden jährlich. Und da sind noch nicht mögliche Reparaturkosten eingerechnet, die aufgrund verpasster Wartungsintervalle anfallen. Richtig teuer kann es zum Beispiel werden, wenn man den Zahnriemenwechsel verpasst, bei Defekt droht schlimmstenfalls ein Motortotalschaden.
Das sei alles Hysterie, heißt es beim Bundesverband Freier Kfz-Händler (BVfK), der von unseriösen Hochrechnungen spricht, die auf einer einzigen Razzia aus dem Jahr 2011 beruhten, bei der es um lediglich 250 Fahrzeuge gegangen sei. Der Verband schätzt die Manipulationsquote auf unter 5 Prozent.
Wie hoch oder niedrig die Quote tatsächlich ist, dürfte Betrogene wie Peter Mayer nicht interessieren. Sie sind Opfer von Tricksereien, die heute einfacher möglich sind als je zuvor. Den Tachostand zu verändern, so der ADAC, könne in Sekunden geschehen – auch Laien könnten die Manipulation mit entsprechenden Geräten bewerkstelligen, die es „als China-Repliken teilweise schon für 150 Euro frei Haus“gebe.
Diese werden an die Diagnoseschnittstelle im
Auto angeschlossen, über die Werkstätten eigentlich Steuergeräte und Fehlercodes auslesen, wenn etwas mit dem Motor, dem Getriebe oder den Airbags nicht stimmt. Über die Schnittstelle lässt sich auch ganz legal der Kilometerstand verändern, was notwendig werden kann, wenn ein defekter Tacho ausgetauscht wird und das Ersatzgerät mit Daten gefüttert werden muss. Noch vor Jahren kostete die dazu notwendige Hardware nach BVfK-Angaben 10000 Euro. Allein aus diesem Grund seien die Manipulationen rückläufig, weil Betrüger das Geld für die Geräte nicht mehr reinholen müssten. Die zu erschwindelnden Gewinne locken allerdings nach wie vor.
Zumal man offenbar nicht erwischt wird, wenn man es richtig macht. „Eine ,handwerklich’ saubere Manipulation lässt sich in den meisten Fällen nicht nachweisen“, heißt es beim ADAC. Doch Betrüger machen offenbar auch Fehler – wie im Falle von Peter Mayer. Dass in seinem Leasing-Rückläufer der Zähler urplötzlich einen Satz um 5000 Kilometer machte, lässt sich womöglich damit erklären, dass der Tachostand in mehreren Steuergeräten im Auto hinterlegt ist. Wenn er nicht überall überschrieben wird, kann der Betrug von ganz allein auffliegen.
Doch auch aufdecken lässt sich ein Betrug durch das Diagnosesystem, das bei Benzinautos seit 2001 und bei Dieselautos seit 2004 Pflicht ist. Seit Smartphones und Tablet-Computer verbreitet sind, kann dies sogar ohne einen teuren Werkstatttermin erledigt werden. „Mit unserem Gebrauchtwagen-Check kann der Verbraucher ausschließen, selbst Opfer von Tachobetrug zu
Eine handwerklich saubere Manipulation lässt sich in den meisten Fällen nicht nachweisen.