Der Abzocker vom Schlüsseldienst
Gauner ging in die Falle:
„Schloss Fritze“– das klingt sympathisch. Hört sich an wie der Schlossereibetrieb von der nächsten Ecke. Doch diese Firma steht im Verdacht, Teil einer bundesweit agierenden Schlüsseldienst-Mafia zu sein. Zahllose Bürger berichten, dass sie übers Ohr gehauen wurden. Die Online-Kundenbewertungen für dieses Unternehmen könnten nicht schlechter sein: „Abzocke“, „Betrug“, „ein Stern ist noch zu viel“.
Auf die Machenschaften dieser Firma hat uns der 30-jährige David da Luz gebracht. Über seinen Fall hat die MOPO gestern berichtet: Der Autolackierer konnte seine Wohnung in Bergedorf an einem Sonntag nicht betreten, weil das Schloss hakte. Er suchte bei Google nach einem Schlüsseldienst und war am Ende 788,85 Euro los.
Hinter „Schloss Fritze“steht die NVD GmbH, aber wo die ihren Sitz hat? Unklar. Denn die NVD tut alles, um ihren Standort zu verschleiern. In der Leopoldstraße 28 in Herford (NordrheinWestfalen) – bis vor wenigen Tagen laut Impressum der Homepage die Anschrift – findet sich kein Büro, nur ein Briefkasten. Über Nacht ist Dr.-OttoNuschke-Straße 9 in Oelsnitz (Vogtland) die neue Anschrift – ein reines Wohnhaus, ohne Büros. Eine Bewohnerin am Telefon: „Nein, hier gibt es keinen Schlüsseldienst ...“Nicht nur was ihre Adresse angeht, sind die Drahtzieher von „Schloss Fritze“mit allen Wassern gewaschen. Von welchem Standort in Deutschland ein Bürger im Internet nach einem Schlüsseldienst sucht – immer erscheint „Schloss Fritze“ganz oben, und zwar als regionaler Dienstleister – so, als säße „Schloss Fritze“eine Straße weiter. Dabei handelt es sich um einen bundesweit tätigen Vermittler, der überall über zweifelhafte Monteure verfügt.
Wie diese Abzocker arbeiten? Wir wollen uns das selbst anschauen und stellen ihnen eine Falle. Zur Unterstützung haben wir einen Experten an unserer Seite, und zwar Michael Bosner von „Bosner’s Schlüsseldienst“(König-Georg-Deich 19 in Wilhelmsburg, Tel. 0176/48 16 61 98) – einer, den wir empfehlen können, falls jemand einen Schlüsseldienst benötigt. Für uns präpariert Bosner ein Türschloss – und dann warten wir.
20 bis 30 Minuten, so lange werde es dauern, bis der Mitarbeiter da sei, hatte die Dame vom Call-Center vorausgesagt. Dass es dann doch eineinhalb Stunden dauert, hat seinen Grund: Der Handwerker hatte offenbar einen weiten Weg – an seinem Fahrzeug sehen wir ein Delmenhorster Kennzeichen.
Der Mann geht genauso vor, wie es David da Luz und viele andere Opfer beschrieben haben: Kaum an der Tür angekommen, nennt er als Erstes seinen Preis. Dann schreibt er diesen Betrag auf die Rechnung und verlangt eine Unterschrift. Erst dann beginnt er zu arbeiten. Kaum ist die Tür offen, macht sich der Mann in aller Seelenruhe daran, der bereits unterschriebenen Rechnung weitere Beträge hinzuzufügen: Plötzlich will er nicht mehr nur 198 Euro, er berechnet auch noch 20 Euro für die Anfahrt, will 280 Euro für einen neuen Schließzylinder und am Ende schlägt er auch noch die Mehrwertsteuer drauf. Mehr als 500 Euro hätte der Besuch uns dann gekostet. Aber wir zahlen nicht, bitten stattdessen David da Luz dazu, der in einem Nebenraum wartet und alles mitangehört hat. Die Konfrontation ist dem SchlüsseldienstMann sichtlich unangenehm. „Das ist der gleiche
Kerl, der mich abgezockt hat“, sagt da Luz. „Gib mir mein Geld zurück!“Daraufhin ergreift der Schlüsseldienst-Mann die Flucht. Er läuft zum Auto, gibt Gas und ist weg.
Mehr als 500 Euro für wenige Minuten Arbeit zu verlangen, – aus Sicht unseres Experten Bosner eine klare Sache: „Miese Abzocke! Ein seriöser Schlüsseldienst hätte für die einfache Türöffnung 70 Euro verlangt. Der Schließzylinder, der 280 Euro kosten sollte, ist im Einkauf für 15 Euro zu haben. Ein seriöser Schlüsseldienst gibt ihn im Verkauf für maximal 40 bis 50 Euro ab.“
Wir hätten gerne von „Schloss Fritze“eine Stellungnahme gehabt. Auf unsere Fragen, die wir am Mittwoch per Mail stellten, gab es bis heute keine Antwort.