Das sind Afrikas Heldinnen
BOB EINTEAM AUS NEGERIA IST BEI OLYMPIA AM START. DER GANZE KONTINENT FIEBERT MIT. TRAINERT HAZBEN SIE MIT EINER HOLZKISTE
Wow, Nigeria! Die drei polnischen Sportler, die durchs Athletendorf spazieren, vergewissern sich, dass sie sich nicht vertan haben. Nein, es stimmt: Seun Adigun und Co. repräsentieren Nigeria. Sie sind zu Heldinnen für einen ganzen Kontinent geworden. Weil nun erstmals ein afrikanisches Bobteam an den Spielen teilnimmt. Diese unglaubliche Geschichte erinnert stark an den Kinofilm „Cool Runnings“, der auf der Olympia-Beteiligung des jamaikanischen Männer-Bobs 1988 in Calgary beruht.
Vor ihrer Reise nach Südkorea wurden die 31 Jahre alte Adigun mit ihren Anschieberinnen Akuoma Omeoga (25) und Ngozi Onwumere (26) in Nigeria feierlich verabschiedet. „Drei Tage lang wurden wir nur umarmt, und die Menschen haben uns gezeigt, wie stolz sie auf uns sind“, erzählt die Bobpilotin im Gespräch mit der MOPO. Die Rennen in der zweiten Olympiawoche werden sogar an öffentlichen Plätzen übertragen. „Das wird eine wundervolle Sache für das Land“, fügt Adigun an. „Ein ganzer Kontinent wird dabei sein.“
Ein Hauptproblem für die Afrikaner ist die klirrende Kälte, die beim Bobsport in der Natur der Sache liegt. Nach einem Training in Lake Placid (USA) hatte Seun Adigun Erfrierungen, konnte ihre Finger nicht mehr bewegen. Noch eine Woche danach waren die Fingerkuppen taub. Doch Mitleid ist das Letzte, was Adigun erwartet. „Wir können wirklich konkurrenzfähig sein“, sagt sie. Erreichen möchte sie Größeres als eine Medaille: „Ich hoffe, dass Leute das als Motivation nehmen, dass sie alles machen können, selbst wenn es ungewöhnlich scheint.“
Menschen in Nigeria sollen Wagnisse eingehen, auch wenn die Folgen nicht absehbar sind. Sie ist überzeugt: „Man muss nicht immer Dinge tun, die Sinn machen. Wenn du mit viel Vertrauen in eine Sache gehst, wird etwas Positives dabei herauskommen.“
Es sind übrigens nicht die ersten Olympischen Spiele, an denen Adigun teilnimmt. 2012 in London war sie als Hürdensprinterin dabei. Nach dem enttäuschenden Vorlauf-Aus in London hatte sie sich eigentlich aus dem Leistungssport zurückgezogen, sah aber vor vier Jahre die Bobrennen in Sotschi und bewarb sich Ende 2014 mit Erfolg bei einem Leistungstest als Anschieberin für den US-Verband. Sie lebt in Texas, in Houston.
Als sie ein Jahr später herausfand, dass in Nigeria weder Frauen noch Männer je diesen Sport ausgeübt haben, entschied sie sich für den Wechsel von Verband und wurde Pilotin. Sie fand zwei Gleichgesinnte, alle drei gaben ihre Jobs auf. Die Holzkiste, die sie im Training durch eine Leichtathletikhalle in Houston geschoben haben, heiß „Maeflower“– in Gedenken an Adiguns verstorbene Schwester Mae Mae. Mit dem echten Zweierbob hat sie inzwischen zwei Wettkampfwinter absolviert. „Das schwierigste ist, den Unterschied herauszufinden zwischen dem, was du fühlen musst und was genau du dann auf dem Eis tun musst“, sagt sie.
Im Weltcup gestartet ist das Team noch nie, die Qualifikation gelang mit zwei zwölften und einem 13. Platz beim Nordamerika-Cup. Manchmal tut ihr die jeweilige Anschieberin leid, die wehrlos heftig durchgeschüttelt wird, sagt Adigun. Zum Beispiel nach Kurve 9 in Pyeongchang auf der Gerade, die nicht wirklich gerade ist. In den ersten Olympia-Trainingsläufen fuhr der Nigeria-Bob erwartungsgemäß nur hinterher. Aber davon lässt sich Adigun nicht aufhalten. Sie sagt: „Es geht nur um den Fokus und die Entschlossenheit.“