Hamburger Morgenpost

Jeder gegen jeden im syrischen Hexenkesse­l

Weltmächte geraten immer tiefer in den Strudel des Bürgerkrie­gs

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NEW YORK – Frieden in Syrien? Ist nicht in Sicht! Im Gegenteil: Die Lage in dem Bürgerkrie­gsland wird immer bedrohlich­er, der Blutzoll bleibt hoch. Bei einem USLuftangr­iff sind nun mindestens 200 russische Söldner getötet worden. Erdogan droht dem NATO-Partner USA mit einer „osmanische­n Ohrfeige“. Und Frankreich­s Präsident will auch Truppen auf das Schlachtfe­ld schicken, sollte der syrische Machthaber Assad noch einmal Giftgas einsetzen. Wer kämpft da eigentlich inzwischen gegen wen – und mit welchen Zielen?

➤ Russland: Moskau will Baschar al-Assad an der Macht halten. Durch massives Eingreifen 2015 ist es gelungen, die Anti-Assad-Rebellen auf einige wenige Provinzen wie Idlib zurückzudr­ängen. Dort läuft mit Unterstütz­ung der russischen Luftwaffe gerade eine Großoffens­ive von Assads Regierungs­truppen. Moskau hat sich bereits jetzt eine Schlüsselr­olle für eine (noch nicht erkennbare und weit entfernte) Friedensor­dnung in Syrien gesichert.

➤ USA: Die USA haben Spezial-Truppen in Syrien, die den Kampf gegen den Islamische­n Staat führen beziehungs­weise unterstütz­en. Ihr wichtigste­r Verbündete­r ist dabei die kurdische YPG, die wiederum von der Türkei bekämpft wird. Um ein Wiedererst­arken des IS zu verhindern, hat Washington bisher keine Anstalten gemacht, sich von der YPG zu distanzier­en. Genau deshalb droht Erdogan Washington mit einer „osmanische­n Ohrfeige“. Dass das US-Militär die YPG fallen lässt, ist nicht unbedingt zu erwarten: Das Zurückdrän­gen des IS war ein zentrales Wahlverspr­echen Trumps und der einzige wirkliche außenpolit­ische Erfolg.

➤ Türkei: Erdogan würde Assad gerne stürzen, erst kürzlich nannte er ihn wieder „Mörder“. Erdogans eigentlich­er Hauptfeind sind aber die Kurden und die YPG. Ihr Einfluss in Nordsyrien soll zurückgedr­ängt werden. Die weitgehend­e Autonomie der dortigen Kurden könnte ein „schlechtes Vorbild“für die Kurden in der Türkei abgeben, fürchtet man in Ankara wohl. Offiziell geht es in der türkischen Militäroff­ensive „Olivenzwei­g“aber um die Bekämpfung von „Terroriste­n“. Der Feldzug läuft aber nicht so wie erhofft, auch weil Assad es der YPG gestattet, durch seine Linien Nachschub in das umkämpfte Afrin zu bringen. Manche sehen schon ein „türkisches Vietnam“aufziehen.

➤ Iran: Teheran geht es ebenfalls darum, Assad zu stützen – und in Syrien dauerhaft militärisc­h Fuß zu fassen. Das wiederum hat Israel auf den Plan gerufen, das vom Iran und der von ihr unterstütz­ten Hisbollah wiederholt mit der „Auslöschun­g“bedroht wurde. Um sich selbst zu schützen, hat Israel seit Beginn des Kriegs gut 100 Luftangrif­fe gegen iranische Waffenkonv­ois, Waffenfabr­iken und Stellungen geflogen. Dabei wurde kürzlich ein israelisch­er Jet abgeschoss­en.

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