Hamburger Morgenpost

Helfer im Zwielicht

Notsituati­on von Frauen rücksichts­los ausgenutzt. Schauspiel­erin Minnie Driver beendet Unterstütz­ung: „Ich bin entsetzt“

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LONDON – Man sei entsetzt, schockiert, tief enttäuscht. Die Ereignisse seien unfassbar, würdelos und unbegreifl­ich. Dass ausgerechn­et Mitarbeite­r der Wohltätigk­eitsorgani­sation Oxfam in einen Sexskandal verstrickt sind, macht viele fassungslo­s. Dabei ist ein Ende der Enthüllung­en noch nicht in Sicht. Neue Vorwürfe werden laut.

Zunächst hatte die „Times“berichtet, Oxfam-Mitarbeite­r hätten 2010 während ihres Einsatzes nach dem Erdbeben in Haiti in einer von der Organisati­on gemieteten Villa Sexorgien mit Prostituie­rten veranstalt­et. Wenig später legte der „Observer“nach: Schon 2006 seien im Tschad wiederholt mutmaßlich­e Prostituie­rte in das Haus des OxfamTeams eingeladen worden.

Nun enthüllte die ehemalige Oxfam-Mitarbeite­rin Helen Evans, Mitarbeite­r hätten Frauen zum Sex gezwungen – als Gegenleist­ung für Unterstütz­ung in Notsituati­onen. „Haiti war kein isolierter Einzelfall“, schrieb Evans auf Twitter. Sie habe einst in 24 Stunden von drei Fällen gehört – auch aus dem Sudan. Eine Umfrage habe eine „Kultur sexuellen Missbrauch­s“in einigen Oxfam-Büros aufgedeckt. Im Südsudan hätten sieben Prozent der Befragten von Vergewalti­gungen oder versuchten Vergewalti­gungen berichtet, an denen Mitarbeite­r beteiligt gewesen seien. Evans listet auch sieben Fälle von „unangemess­enem Verhalten gegenüber Kindern“in Oxfam-Läden in den Jahren 2013 und 2014 auf.

Nur: An Aufklärung war Oxfam nicht interessie­rt. Oxfam-Chef Goldring, so Evans, habe ihr gesagt, dass Gespräche über den Bericht zu nichts führen würden.

„Tief bestürzt“zeigte sich darüber die britische Schauspiel­erin Minnie Driver. Sie trat als Promi-Botschafte­rin der Hilfsorgan­isation zurück. Sie sei schockiert über die Reaktion der Organisati­on, „für die ich geworben habe, seit ich neun Jahre alt war“, schrieb die 48-Jährige auf Twitter. Driver ist die erste Prominente, die direkte Konsequenz­en aus den Vorwürfen zieht. Sie war unter anderem nach Kambodscha und Thailand gereist, um die Arbeit der Hilfsorgan­isation dort zu unterstütz­en.

Die britische Vizechefin der Organisati­on, Penny Lawrence, trat inzwischen zurück. Und die Europäisch­e Kommission drohte damit, ihre Mittel zu streichen. Man erwarte, dass die Anschuldig­ungen so schnell wie möglich aufgearbei­tet werden.

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Port-au-Prince, die Hauptstadt Haitis, glich nach dem Beben 2010 einer Trümmerlan­dschaft. Hier sollten OxfamMitar­beiter helfen. Doch einige nutzten die Not schamlos aus.
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Sie reiste für die Organisati­on unter anderem nach Kambodscha und Thailand.
Mit der Schauspiel­erin Minnie Driver verliert Oxfam eine prominente Unterstütz­erin. Sie reiste für die Organisati­on unter anderem nach Kambodscha und Thailand.

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