Hamburger Morgenpost

„Ich spreche mit Gott über den HSV“

Der Brasiliane­r im MOPO-Talk:

- redaktion-sport@mopo.de

SIMON BRA SCH UND FLORIAN REBIEN

Sein Naturell lässt gar keinen Pessimismu­s zu. Abstiegska­mpf in Hamburg, dazu dann noch die frostigen Temperatur­en. Reichlich Gründe für einen Brasiliane­r, ziemlich schmallipp­ig durch die Welt zu marschiere­n. Douglas Santos ist anders. Der 23-Jährige lächelt bis über beide Ohren, als die MOPO ihn zum Gespräch trifft. Gut drauf, der Mann, nicht nur neben sondern auch auf dem Platz, das hat er vielen seiner HSVKollege­n voraus. Wenn er nun auch noch Tore schießen könnte …

MOPO: Douglas Santos, wissen Sie eigentlich noch, wann Sie Ihren letzten Pflichtspi­eltref er geschossen haben?

Douglas Santos: Puh, das dürfte eine Weile her sein. Ich glaube, 2015. Für Atlético Mineiro in Brasilien.

Sie ahnen, warum wir das fragen, oder?

Ja, schon klar.

Weil der HSV

Tore braucht!

Jetzt kommen

Sie mir auch noch damit (lacht). Meine Frau und meine Familie fragen auch ständig: „Mensch, wann triffst du endlich mal?“

Aber wenn die Stürmer schon nicht tref en, müssen Sie es vielleicht richten.

Glauben Sie mir: Das würde ich sehr gern! Aber hier in Deutschlan­d ist das nicht so leicht, schon gar nicht für mich als Linksverte­idiger. Es ist schwierig, nach innen zu ziehen und dann zu schießen. Weil es speziell in der Bundesliga in der Mitte immer sehr voll ist. Da ist kaum eine Lücke für mich.

Dann müssen es doch andere richten. Warum fällt es dem HSV so schwer?

Ich glaube, der Knoten muss einfach mal platzen. Wenn wir das schaffen und dieses Selbstvers­tändnis vor dem Tor wieder da ist, wird vieles leichter.

Der HSV ist seit einigen Wochen Vorletzter. Wie nehmen Sie die Situation rund um den Verein wahr?

Der Druck ist groß, das spürt man täglich. Das ist nicht immer einfach, aber mir hilft da meine Vergangenh­eit. Letzte Saison war es hier ja auch schon schwierig. Und wenn Sie wüssten, wie das erst in Brasilien ist! Wenn du da zwei Spiele verloren hast, spielen die Leute verrückt und es herrscht Chaos. Aber es stimmt schon: Der Druck beim HSV ist groß.

Weil verdammt viel auf dem Spiel steht.

So ist es. Immer erste Liga, das ist etwas Einzigarti­ges. Ich spüre die große Verantwort­ung, die wir als Mannschaft haben.

Sie sind ein sehr gläubiger Mensch. Schließen Sie den HSV in Ihre Gebete ein?

Ja, ich spreche mit Gott über den HSV. Das ist absolut ein Teil meiner Gebete. Weil nichts ohne Gott passiert, davon bin ich überzeugt. Und klar ist: Wenn es dem HSV gut geht, geht es auch mir gut. Denn durch meine Arbeit hier in Hamburg kann ich für meine Familie sorgen.

Wissen Sie eigentlich auf welchem Tabellenpl­atz die PSV Eindhoven gerade steht?

Da könnte man sicher nachschaue­n.

Sie wären im Sommer fast dorthin gewechselt.

Ja. Und natürlich weiß ich, dass Sie mit großem Vorsprung Erster in Holland sind. Aber das macht nichts. Ich bereue es nicht, hier zu sein – im Gegenteil: Ich bin froh. Weil mich das alles als Spieler hat wachsen lassen.

Ihr Landsmann Walace wollte kürzlich auch wechseln, musste aber ebenfalls beim HSV bleiben. Sind Sie froh darüber?

Natürlich! Walace wurde schon während unserer Zeit im Olympiatea­m zu einem Freund für mich. Es ist schön, ihn hier an meiner Seite zu haben.

Haben Sie dazu beigetrage­n, dass er letztlich doch beim HSV bleiben wollte?

Vielleicht ein bisschen. Ich sagte ihm: „Mach das, was du machen möchtest – aber mach es aus Überzeugun­g! Wenn du denkst, du wirst woanders glückliche­r sein, ist es besser zu gehen. Wenn du dir vorstellen kannst, dass das hier der Fall ist, dann bleib.“

Er blieb.

Und man sieht ja nun, dass es besser für ihn läuft. Unter dem neuen Trainer spielt er regelmäßig.

Kommende Woche wird Walace zur Geburt seines zweiten Kindes nach Brasilien fliegen. Tippen Sie mal: Kommt er danach zurück?

Na, klar! (lacht)

Ähnlich wie Walace sind auch Sie unter Bernd Hollerbach unumstritt­en. Wie ist der neue Trainer denn so?

Er redet sehr viel mit uns. Das ist gut. Es entsteht ein neues Wir-Gefühl in der Mannschaft.

Zuletzt holte er Rodolfo Cardoso in seinen Trainersta­b. Einen Argentinie­r…

Oh, ja! Das ist lustig. Wir necken uns viel, machen kleine Späße. Aber die Rivalität unserer Nationen wird ja vor allem auf dem Platz ausgetrage­n. Es ist also alles gut, ich bin froh, dass Rodolfo da ist. Er hilft Walace und mir, weil er unsere Mentalität versteht. Wir sprechen sehr viel, er auf Spanisch, wir auf Portugiesi­sch und jeder versteht den anderen. Das ist wirklich schön. Typisch südamerika­nisch.

Hatten Sie zuletzt auch mal mit dem brasiliani­schen Verband Kontakt? Die WM war doch Ihr großes Ziel.

Nein, es gab leider keinen Kontakt. Aber ich hoffe noch ein wenig. Ansonsten gibt es ja aber auch noch eine Zeit nach der WM.

Aber im März triff Brasilien in Berlin auf Deutschlan­d!

Ich würde da natürlich am liebsten auf dem Platz stehen, aber das wird wohl nichts. Ich werde aber in jedem Fall versuchen, im Stadion dabei zu sein. Bei so einem Spiel kann ich doch nicht zu Hause sitzen!

Zunächst mal geht der Abstiegska­mpf weiter. Am Sonnabend kommt Leverkusen in den Volkspark.

Dieses Spiel wollen wir unbedingt gewinnen. Wir brauchen Punkte. Wir müssen jetzt sogar in jedes Spiel gehen, um es zu gewinnen – in jedes, egal wie der Gegner heißt! Gegen Leverkusen wird es ganz hart, wir werden nur wenige Chancen bekommen. Die müssen wir nutzen.

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Gebte gehören für ihn dazu: Douglas Santos ist wie die meisten Brasiliane­r ein gläubiger Mensch.
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Glückliche­s Paar: Douglas Santos mit seiner Frau Cristiane Luiza. Sie fragt ihn öfter mal: „Mensch, wann triffst du endlich mal das Tor?“

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