Lebenslänglich für Killer-Fahrer vom Ballindamm
Richter wertet die tödliche Crash-Fahrt von Ricardas D. als Mord: „In dieser Nacht hätte es jeden in seiner Nähe treffen können.“Angeklagter: „Bete jeden Tag für das Opfer“
Lebenslang wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes! Ricardas D. war im Mai 2017 mit einem gestohlenen Taxi auf der Flucht vor der Polizei. Mit 160 Sachen fuhr er am Ballindamm auf der Gegenspur frontal in ein anderes Taxi. Ein Mann starb. „Ich bete jeden Tag für die Seele des jungen Menschen“, sagt der Angeklagte in seinem Schlusswort. „Hätte ich damals nachgedacht, wäre es nicht passiert.“Diese Einsicht kommt zu spät: John B. (22) starb im Mai 2017, als Ricardas D. den schrecklichen Unfall verursachte. Auch ein Arbeitskollege des jungen Mannes und der Taxifahrer Mehmet Y. (57) wurden schwer verletzt.
Der Vorsitzende Richter Stephan Sommer fällte gestern nach monatelangen Verhandlungen sein Urteil: Lebenslänglich! Wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 25-jährige Taxidieb aus Litauen vorsätzlich gehandelt hatte. „Er ist zielgerichtet vorgegangen, billigte den Tod anderer“, so Sommer. Sein konkretes Ziel: die Polizei abschütteln. Die Kernfrage des Prozesses hat der Richter somit entschieden: Ricardas D. hat in voller Absicht gehandelt, und zwar aus dem niederen Beweggrund, seinen Taxi-Diebstahl verschleiern zu wollen. Die Folge für das Urteil: Die Tat ist als Mord zu bewerten!
Ein Novum in der Hamburger Rechtsprechung. In Berlin hatte es jedoch vor einem Jahr schon mal einen vergleichba-
ren Fall gegeben, bei dem zwei Männer zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Sie hatten bei einem illegalen Straßenrennen einen Unbeteiligten getötet.
Der Verteidiger von Ricardas D. hatte in seinem Schlussplädoyer noch versucht, das Urteil auf „fahrlässige Tötung“zu wenden. Lediglich vier Jahre Haft wollte er für den Litauer. „In Fluchtsituationen greifen archaische Verhaltensmuster“, sagte er. Sein Mandant habe einen Tunnelblick gehabt, nicht mehr klar denken können. Aus seiner Sicht sei unstrittig, dass der 25-Jährige nicht absichtlich gehandelt habe.
Zumindest indirekt beschuldigte er die Polizisten, die seinen Mandanten verfolgten, nachdem er mit über 100 Stundenkilometern über den Mundsburger Damm gebrettert war. „Ich halte das Verhalten der Polizeibeamten für problematisch“, so der Anwalt.
Richter Sommer dazu: „Das vertauscht Ursache und Wirkung!“Die Beamten hätten versucht, Schlimmeres zu verhindern: „In dieser Nacht hätte es wirklich jeden in der Nähe des Angeklagten treffen können.“Dass der Litauer nur spontan handelte, eigentlich niemanden verletzen wollte, glaubte der Richter nicht. Im Gegenteil: „Es drängt sich eher ein Vergleich auf zu einer Person, die auf der Flucht ist und dabei wild um sich schießt.“Das gestohlene Taxi wird quasi als Waffe gewertet.
Ricardas D. muss also lebenslang ins Gefängnis und der Mutter des verstorbenen John B. 20 000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Außerdem ordnete das Gericht an, ihn in eine Erziehungsanstalt einzuweisen. Die Verteidigung will in Berufung gehen.