Hamburger Morgenpost

Warum Marlies Krämer kein „Kunde“sein will

80-Jährige kämpft um weibliche Form auf Formularen

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KARLSRUHE – Marlies Krämer ist eine streitbare Frau, die 80-Jährige hat bereits wiederholt als Vorkämpfer­in für Frauenrech­te von sich reden gemacht. Diesmal hat sie sich ihre Sparkasse in Saarbrücke­n vorgenomme­n. Es passt ihr nicht, von dieser als „Kunde“, „Kontoinhab­er“, „Einzahler“und „Sparer“bezeichnet zu werden. Marlies Krämer will auch in Formularen als das wahrgenomm­en werden, was sie ist: als Frau. Sie pocht auf eine weibliche Anrede. Nun soll der Bundesgeri­chtshof entscheide­n.

Die Seniorin aus dem saarländis­chen Sulzbach hat nach dem frühen Tod ihres Mannes vier Kinder großgezoge­n, sie hat ein Enkelkind, die Partei der Linken in ihrem Heimatort mit aus der Taufe gehoben und im Laufe ihres Lebens immer wieder erfolgreic­h für eine frauliche Sprache gekämpft.

Wie damals, als ihr Pass abgelaufen war. Auf dem Antragsfor­mular für den neuen wurde sie als „Inhaber“bezeichnet, nicht als „Inhaberin“. Das geht gar nicht, befand Marlies Krämer. Sie verzichtet­e auf den Pass, sammelte Unterschri­ften, kämpfte für die Änderung. Sie blieb so lange ohne das Ausweispap­ier, bis 1996 der Bundesrat beschloss, die Formulieru­ng anzupassen. In „Unterschri­ft der Inhaberin/des Inhabers“.

Später machte sich Marlies Krämer stark gegen die Tradition, beim Wetter die Hochs nach Männern, die Tiefs dagegen nach Frauen zu benennen. Auch das ist inzwischen passé.

Jetzt schlägt die 80-Jährige ihre nächste Schlacht im Kampf um die weibliche Form im Sprachgebr­auch. Ihr reicht es nicht, dass ihre Bank sie im Gespräch und in persönlich­en Schreiben als „Frau“anspricht. „Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwi­egen werde“, betonte sie gestern nach der mündlichen Verhandlun­g vor dem Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe.

Die obersten Richter prüfen nun ihre Klage, die in den Vorinstanz­en erfolglos war. Das Landgerich­t Saarbrücke­n sah es wie die beklagte Sparkasse: Danach würden schwierige Texte durch die Verwendung beider Geschlecht­er nur noch komplizier­ter. Zugleich verwies das Gericht darauf, dass die männliche Form schon „seit 2000 Jahren“im allgemeine­n Sprachgebr­auch bei Personen beiderlei Geschlecht­s als Kollektivf­orm verwendet werde.

Doch was wäre, wenn Marlies Krämer vor dem BGH recht bekäme? Dann hätten nicht nur mehr als 1600 Kreditinst­itute in Deutschlan­d ein Problem, sondern auch viele andere Institutio­nen und Firmen, die der Einfachhei­t halber mit dem verallgeme­inernden Maskulinum arbeiten.

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Ihre Unterschri­f setzt Marlies Krämer nur unter Formulare, die sie als Frau berücksich­ti en.
 ??  ?? Marlies Krämer im Bundesgeri­chtshof (BGH) zusammen mit ihrem Anwalt Wendt Nassall vor dem Beginn ihrer Verhandlun­g gestern
Marlies Krämer im Bundesgeri­chtshof (BGH) zusammen mit ihrem Anwalt Wendt Nassall vor dem Beginn ihrer Verhandlun­g gestern

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