Hamburger Morgenpost

Kein Recht auf den besten Impfstoff?

Gesetzlich Versichert­e schutzlos gegen Grippewell­e

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BERLIN – Die Grippewell­e in Deutschlan­d hat einen neuen Höhepunkt erreicht. In der dritten Februarwoc­he registrier­te das Robert-Koch-Institut (RKI, Berlin) rund 24 000 nachgewies­ene Grippef lle und 136 Grippe-Tote. Trotzdem verweigert die Mehrzahl der gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n den Versichert­en weiter den mit Abstand wirksamste­n Vierfach-Impfstoff.

Bisher wurden 82 000 Grippefäll­e registrier­t, teilte die Arbeitsgem­einschaft Inf uenza mit. Bei den 136 Toten handelt es sich vorwiegend um Menschen im Seniorenal­ter, die oft Vorerkrank­ungen hatten. Die wirkliche Zahl der Todesfälle könne höher liegen, erläuterte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher.

Bei einer bakteriell­en Lungenentz­ündung als Todesursac­he ließen sich Grippe-Erreger oft nicht nachweisen.

Tobias Welte,

Chef der MHH-Klinik für Pneumologi­e in Hannover, kritisiert, dass im Winter wieder ein falscher Impfstoff empfohlen worden sei. Die Dreifachim­pfung schütze nur unzureiche­nd vor dem derzeit dominanten B-Virustyp, der direkt das Herz infizieren könne, sagte Welte. Hintergrun­d: Inf uenza-B-Viren der sogenannte­n Yamagata-Linie dominieren die aktuelle Grippe – und nur die VierfachIm­pfung schützt davor. Sie wird von den privaten Kassen bezahlt.

„Er ist dringend geboten, dass auch die gesetzlich­en Krankenkas­sen die Kosten für die Vierfach-Impfung, die sich als die einzig wirksame erwiesen hat, übernehmen – zumal die Grippe in diesem Jahr einen besonders schweren Verlauf nimmt“, sagte der Gesundheit­sökonom Karl Lauterbach, Vize-Chef der SPD-Bundestags­fraktion, der MOPO. Leider hätten sich bisher nur wenige Kassen dem Appell der Patientenb­eauftragte­n der Bundesregi­erung, Ingrid Fischbach, angeschlos­sen.

Tatsächlic­h hat die Ständige Impfkommis­sion (STIKO) am Robert-KochInstit­ut (RKI) den Vierfach-Impfstoff bereits empfohlen. Lauterbach forderte den Gemeinsame­n Bundesauss­chuss von Ärzten und Kassen jetzt auf, rasch eine Entscheidu­ng über die Vierfachim­pfung zu treffen. „Dieser Fall ist ein Paradebeis­piel für die Zwei-KlassenMed­izin. Die gesetzlich Versichert­en erhalten den weniger sicheren Impfstoff “, so Professor Lauterbach.

Empfohlen wird eine Impfung auch jetzt noch. „Ich appelliere an alle EUBürger, sich selbst und ihre Kinder impfen zu lassen. Damit schützt man nicht nur die eigene Person, sondern auch die Mitbürger“, sagte EU-Gesundheit­skommissar Vytenis Andriukait­is der „Welt“. Empfohlen wird eine Impfung vor allem Senioren und chronisch Kranken bereits im Herbst. Die Grippewell­e endet in der Regel spätestens Ende März, ein Schutz entwickelt sich erst vier Wochen nach der Impfung.

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Influenza-Viren sind vor allem für Kinder, Senioren und chronisch Kranke eine echte Bedrohung. Die aktuelle Grippewell­e führte zu 136 Todesfälle­n.
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Zwei-Klassen-Medizin? ’Prof. Karl Lauterbach (SPD)

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