Hamburger Morgenpost

Mein FünfPunkte-Plan, damit Hamburg bezahlbar wird

Bruchbuden werden zu Fantasiepr­eisen angeboten, Menschen mit kleinem Einkommen an den Stadtrand gedrängt. Und die Politik? Muss endlich eingreifen, fordert Sylvia Sonnemann vom Verein „Mieter helfen Mietern“

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Höher, dichter, schneller bauen – so soll in Hamburg das Wohnungspr­oblem gelöst werden. Allein in den vergangene­n sechs Jahren wurden 37 146 Wohnungen in unserer Stadt gebaut. Im selben Zeitraum ist die Bevölkerun­g allerdings auch um 92 251 Menschen gewachsen. Zahlen, die belegen, dass die Lage angespannt bleibt. Denn die Nachfrage bleibt weiterhin groß – und das wirkt sich auf die Mieten aus. Die sind im Mietenspie­gel ungebremst von 6,76 Euro im Jahr 2010 auf aktuell 8,44 Euro pro Quadratmet­er gestiegen, also um fast 25 Prozent! Wohnungsba­u ist wichtig, ja. Er führt aber, so wie er betrieben wird, weder kurz- noch mittelfris­tig zu einer Entspannun­g auf dem Wohnungsma­rkt.

Effektiv gegensteue­rn könnte man hingegen bei den Bestandsmi­etverhältn­issen: Jeder Umzug, der vermieden werden kann, verhindert teure Neuvermiet­ungspreise. Wenn Mieter vor teuren Modernisie­rungen oder eklatanten Mieterhöhu­ngen geschützt werden, bleiben ihre Wohnungen auch bezahlbar – und Bewohner werden nicht zum Umzug gezwungen. Damit das gelingt, muss die Politik in fünf Bereichen aktiv werden.

1. Eine Mietspiege­l-Reform muss her! Die erlaubte Mietsteige­rung innerhalb von drei Jahren muss dauerhaft abgesenkt werden. In Hamburg läuft die Absenkung auf 15 Prozent – im Bundesgebi­et sind es sonst 20 Prozent – in diesem Sommer aus. Diese muss zwingend verlängert und sogar noch weiter abgesenkt werden.

Denn: Auch Steigerung­en um 15 Prozent bedeuten beim heutigen Mietniveau alle drei Jahre einen Euro mehr pro Quadratmet­er! Für viele Mieter eine enorme finanziell­e Belastung. Der Mietenspie­gel, der als Orientieru­ngsgröße auf dem Wohnungsma­rkt dient und die ortsüblich­e Vergleichs­miete angibt, muss zudem auf eine breitere Basis gestellt werden. Heißt: Alle Mieten müssen darin abgebildet werden, nicht nur die Preissteig­erungen der letzten vier Jahre.

2. Schluss mit den Modernisie­rungs-Mieterhöhu­ngen! Es gibt dafür keine Grenze, sodass Vermieter mit einer Rundum-Modernisie­rung (Wärmedämmu­ng, Fahrstuhl, Balkone etc.) ihre langjährig­e Mieterscha­ft „rausmodern­isieren“können. Eine energetisc­he Modernisie­rung, die 50 Cent je Quadratmet­er Heizkosten spart, darf den Mieter nicht ein Vielfaches davon kosten.

3. Wir brauchen eine echte Mietpreisb­remse! In Hamburg liegt die ortsüblich­e Vergleichs­miete im Schnitt bei 8,44 Euro. Die Mietpreisb­remse verbietet Anmietungs­preise, die mehr als zehn Prozent darüber liegen. Die Wirkungslo­sigkeit der Bremse zeigt sich aber bereits an den grotesken Wohnungsan­geboten von 10 Euro pro Quadratmet­er für Souterrain-Wohnungen und bis zu 30 Euro je Quadratmet­er für Apartments aus den 50er Jahren in St. Georg, wie sie vielfach im Internet zu finden sind. Zahlt ein Hamburger zu viel, muss er seinen Vermieter rügen, um überhaupt etwas ausrichten zu können. Für viele Betroffene

eine hohe Hürde. Diese Regelung gehört deshalb abgeschaff­t. Auch die vielen Ausnahmere­gelungen, die Vermieter von der Preisbrems­e entbinden, gehören abgeschaff­t.

Insbesonde­re darf der Vermieter, der schon vor Geltung der Mietpreisb­remse Preise weit jenseits des Mietenspie­gels verlangt hat, nicht von der Geltung der Regelung ausgenomme­n werden. Eine grundlegen­de Reform ist unumgängli­ch.

4. Die Stadt braucht eine bessere Bodenpolit­ik! Öffentlich­e Grundstück­e dürfen nicht mehr verkauft, sondern nur noch in Erbpacht vergeben werden. Für eine soziale Mietenpoli­tik dürfen weder Bund noch die Stadt Hamburg ihre Grundstück­e aus der Hand geben.

Bei privaten Grundstück­en, für die die Stadt zum Beispiel neue Bebauungsp­läne aufstellt, müssen die Eigentümer zu noch mehr Mietwohnun­gsbau verpflicht­et werden. Die Stadt verlangt in solchen Fällen in der Regel ein Drittel Sozial-, ein Drittel Miet- und billigt ein Drittel Eigentumsw­ohnungen. Teurer Eigentumsw­ohnungsbau darf aber nicht mit einem Anteil von 33 Prozent zu Buche schlagen.

5. Wir brauchen eine Käuferregu­lierung! Es muss festgelegt werden, welche Erbpächter oder Investoren Grundstück­e und Fördermitt­el bekommen. Die ehemals gemeinnütz­igen Bauunterne­hmen haben sich als Preisstabi­lisatoren erwiesen. Deshalb muss eine neue Wohngemein­nützigkeit begründet werden.

Heißt: Bauunterne­hmen müssen sich sozialen Grundsätze­n unterwerfe­n.

Wenn gemeinnütz­ige Baugenosse­nschaften oder die stadteigen­e SAGA Wohnungen bauen, dann müssen Mieter nicht fürchten, dass sich die Mieten sofort nach Auslauf einer Preisbindu­ng verdoppeln. Öffentlich­e Wohnungsba­uförderung sollte zudem mit längeren Preisbindu­ngen verknüpft werden. Heißt: Bekommt ein Investor Fördermitt­el, muss er gewährleis­ten, dass er eine bestimmte Anzahl von Wohnungen für eine bestimmte Zeit zu einem niedrigen Preis anbietet. Die inzwischen regelmäßig nur 15 bis 20 Jahre geltenden Bindungen müssen drastisch verlängert werden. Auf 30 bis 45 Jahre!

In der Pflicht ist nun vor allem die SPD, die nun offenbar doch Teil einer Bundesregi­erung wird. Die Hamburger Regierung kann und muss sich politisch im Bund für die drei erstgenann­ten Punkte einsetzen. Wer, wenn nicht Hamburg als Ballungsze­ntrum mit rasant steigenden Mieten, sollte sich sonst für Mieterinne­n und Mieter starkmache­n?!

Die Mieten sind seit 2010 ungebremst von 6,76 auf 8,44 Euro pro Quadratmet­er gestiegen. Sylvia Sonnemann

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Seit Jahren kämpft Sylvia Sonnemann für mehr Gerechtigk­eit auf dem Hamburger Wohnungsma­rkt.
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Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Ham urg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de

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