Wo Blumenwiesen schneesicher werden
Durch eine neue Beschneiungs-Technik entwickelte sich das Carezza-Skigebiet zu ungekannter Pracht
Der Lift schwebt über den bereiften Nadelbäumen hinauf zur Spitze des König Laurin, einem Dolomitengipfel von 2337 Metern, und der Weg dorthin ist von rauschhafter Stille. Man hört nichts, nicht mal den Wind oder einen Vogel, nur alle paar Minuten das leise Rumpeln an den Stahlstützen entlang. Dieses lautlose Gleiten gehört zu den schönsten Momenten eines Winterurlaubs schlechthin.
Neben mir im Skisessel in der Sonne sitzt Georg Eisath, ein stabiler 60-Jähriger mit gesunder Gesichtshaut und wachen Augen. Soweit sein Blick in die Landschaft dieses Skigebietes reicht, eigentlich noch weiter, kann Georg Eisath sagen: Alles meins!
Tatsächlich gäbe es das alles ohne ihn nicht – nicht die Lifte, nicht die Skiläufer, schon gar nicht den Schnee, kein Wort übertrieben. Das Carezza-Skigebiet in Südtirol, das sonnigste in Italien, war nach der Jahrhundertwende fast am Ende. Oft fehlte Schnee, Lifte liefen unregelmäßig, Urlauber blieben weg. Eisath stammt aus dieser Gegend um Welschnofen und ertrug den winterlichen Niedergang seiner Heimatgemeinde nicht. Die feurig in der Abendsonne leuchtenden Zinnen des RosengartenMassivs, wie die zentrale Erhebung heißt, die majestätisch-lieblichen Felsen, die man an ihren spitzen Zacken unter Tausenden wiedererkennt, die ganze Pracht der hellen Täler sollte für den Winterurlaub verloren sein? Hotelbetrieb nur noch im Sommer? Nein!
Georg Eisath hatte den Willen, das zu ändern, vor allem aber die Macht. Er ist der Erfinder der Schneesicherheit. Klingt laut gebrüllt, stimmt trotzdem. Der Maschinenbau-Ingenieur entwickelte mit einem Kollegen in den 1990ern im großen Stil neuartige Schneekanonen, die gemeinsame Firma TechnoAlpin wurde schnell Weltmarktführer, liefert in tausend Skigebiete, macht 100Millionen-Umsätze. Und dieser Erfinder, eine große Nummer in Südtirol, gondelt mitten in der Woche auf den Berg, um in der Lounge selig einen Drink zu nehmen und dann mit kantig-schneidigen Schwüngen hinab zu wedeln?
Ja, denn Eisath hat 2008 seinen Teil der Firma verkauft. Danach ließ er große Haufen seines Geldes in das heimische Skigebiet fließen – neue Lifte, perfekter Schnee, glückliche Skiläufer. Mit Investitionen von insgesamt 43 Millionen Euro entstand das Familienskigebiet Carezza.
Seine Schneekanonen warten im November auf eiskalte Nächte und verwandeln dann das Gebiet in 80 Stunden in eine Landschaft mit 60 Zentimeter Schnee.
Woanders wird bei Bedarf kleinflächig und teuer „nachgeschneit“, während der technisch erzeugte „CarezzaSchnee“den ganzen Winter reicht und sich friedlich mit dem natürlichen mischt. Das System halbierte die Energiekosten. Es nutzt das von den Bergen abfließende Wasser, sammelt es in einem See und gibt es der Natur als Schnee zurück. Wenn der im Frühjahr taut, verwandelt er die Pisten in blühende Blumenwiesen. Keine Spur von ruinierten grauen Hängen.
Eisath sagt, dass er seine Investitionen nicht zurückverdienen kann. Dafür ist er heute glücklicher Präsident seines Skigebietes. Er sieht seinen Enkel aufwachsen und singt abends mit den Gästen Heimatlieder in deutsch und italienisch, geht mit ihnen Ski laufen und Eisstockschießen.