Hamburger Morgenpost

Rückkehr eines politisch Untoten

Mit seinem Rechts-Bündnis könnte der halbseiden­e Milliardär Silvio Berlusconi vorn liegen

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ROM – 81 ist Silvio Berlusconi, aber das sieht man nicht: Der Milliardär lässt sich seine Gesichts-OPs viel kosten. Und fühlt sich frisch genug, Italien einmal mehr zu regieren. Europas größtes Sorgenkind hat heute die Wahl – und könnte in der Not wieder auf den vorbestraf­ten Haudegen setzen.

Es gibt so viel, das gegen den „Cavaliere“spricht: die MafiaDräht­e, die Bunga-Bunga-Fummeleien, Sex mit Minderjähr­igen, Haftstrafe­n wegen Korruption – aber auch Berlusconi­s aktuelle Partner sind kein Ruhmesblat­t: Die Lega Nord wandelte sich von einer querulanti­schen Regionalpa­rtei zum landesweit­en Sammelbeck­en für Rassisten und Islam-Feinde – „ethnische Säuberunge­n“stehen bei ihr auf der Tagesordnu­ng. Und die „Fratelli d’Italia“(Brüder Italiens) sind eine Abspaltung der Neofaschis­ten. Als seriöses Feigenblat­t dieses Paktes soll nach Berlusconi­s Plänen EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani aus Brüssel eingefloge­n werden. Denn Berlusconi selbst darf wegen seiner Vorstrafen gar nicht kandidiere­n.

Dass dieses Bündnis vielen Italienern als das kleinere Übel erscheint, hat viel mit seinem größten Gegenspiel­er zu tun: Die „5 Sterne“-Bewegung trat mal an, um im korrupten PolitSyste­m aufzuräume­n – in vielen Fragen eher links, aber auch antieuropä­isch, unberechen­bar und vor allem: völlig kompromiss­los. Seit sich der exzentrisc­he „5 Sterne“-Gründer Beppe Grillo öfter mal raushält, ist seine Truppe moderater geworden. Der smarte 31-jährige Spitzenkan­didat Luigi Di Maio dürfte die „5 Sterne“heute zur stärksten Partei machen – was ihm wenig nützt, denn Grillo & Co. haben alle potenziell­en Bündnispar­tner vor den Kopf gestoßen.

Ich will ja nicht wie die Amerikaner in Saigon mit dem Hubschraub­er aus der Staatskanz­lei abfliegen. Alles mit Stil. Horst Seehofer über seine Amtsüberga­be als bayerische­r Ministerpr­äsident

Deshalb ruhen die Augen aller doch wieder auf den Sozialdemo­kraten: Trotz zu erwartende­r Verluste könnte die Demokratis­che Partei unter dem populären Biedermann Paolo Gentiloni in Rom auch künftig ein Wörtchen mitzureden haben – denn nach Umfragen hat keines der Lager die laut Verfassung nötige Mehrheit von 42 Prozent. Die sprichwört­lichen italienisc­hen Verhältnis­se also? Quälende Regierungs­findungen haben in Italien Tradition. Doch selten war das Land so tief in der Krise wie jetzt: Die anhaltend hohe Arbeitslos­igkeit treibt junge Fachkräfte außer Landes, in Sachen Verschuldu­ng wird Italien nur noch von Griechenla­nd übertroffe­n und mehr als eine wankende Großbank hat das Zeug, ganz Europa in eine neue Krise hineinzure­ißen. Eine Steilvorla­ge für Berlusconi – der sich die Schwäche seiner Gegner zunutze macht. Und Italien das Blaue vom Himmel herab verspricht. Mit einem Lächeln – auch wenn das immer öfter wie festgetack­ert wirkt.

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