Hamburger Morgenpost

Seine junge Geliebte kostete den Bürgermeis­ter den Job

Paul Nevermann war seit 35 Jahren verheirate­t, da verdrehte ihm eine 42-Jährige den Kopf. Skandal!

- OLAF WUNDER o.wunder@mopo.de

Paul Nevermann – vielen Älteren leuchten noch heute die Augen, wenn dieser Name f llt. Nevermann ist einer der beliebtest­en Bürgermeis­ter in der Geschichte unserer Stadt. Gemeinsam mit Helmut Schmidt bewältigte er die Sturmf ut 1962. Das machte beide zur Legende. Unvergesse­n ist allerdings auch, wie Nevermann (SPD) sein Amt verlor. Einer der Gründe: seine Schwäche für eine deutlich jüngere Frau.

Paul und Grete Nevermann sind 35 Jahre lang verheirate­t. Anfang der 60er Jahre sagt sie in einem Zeitungsin­terview strahlend, sie freue sich noch wie am ersten Tag, „wenn mein Mann nach Hause kommt“– doch seine Gefühle sind ganz andere. Der 63-Jährige erlebt seinen zweiten Frühling, als er im Winter 1963 eine 42-jährige verheirate­te Industriel­lengattin aus Hannover kennenlern­t. Brünett ist sie, fährt einen Mercedes 220 SE. Er verliebt sich.

Anfangs finden die Treffen heimlich statt. Schließlic­h gesteht er seiner Frau alles, trennt sich von ihr und zieht in ein Appartemen­t an der Alster. Es wird zum Stadtgespr­äch, dass der Bürgermeis­ter eine Neue hat. Spätestens als er seine Geliebte mit in die Senatsloge des Hamburger Schauspiel­hauses nimmt, ist die Affäre nicht mehr zu verheimlic­hen. Die Presse aber hält dicht. Noch.

Konsequent wäre es, wenn sich die Eheleute Nevermann jetzt scheiden ließen. Das wollen sie zwar auch, aber die SPD verbietet es. Aus Furcht vor den möglichen politische­n Folgen knapp ein Jahr vor den nächsten Bürgerscha­ftswahlen redet die Partei der Heuchelei das Wort und handelt mit den Eheleuten einen Kompromiss aus: Er, Paul Nevermann, soll alles vermeiden, was seine Frau kompromitt­iert. Dafür soll sie, Grete Nevermann, weiter die „First Lady“der Hansestadt spielen. Beide stimmen zu.

Doch Nevermann hält sich nicht an diese Verabredun­g. Als Ehefrau Grete erfährt, dass ihr Mann seinen Frühjahrsu­rlaub 1965 auf Teneriffa nicht allein, sondern in Begleitung verbracht hat, schäumt sie vor Wut. Und sie trifft eine Entscheidu­ng, die von großer

Tragweite ist: Sie erklärt, beim bevorstehe­nden Besuch von Queen Elizabeth II. in Hamburg nicht dabei zu sein. Ihr Mann möge das britische Staatsober­haupt doch stattdesse­n gemeinsam mit der Frau begrüßen, mit der er ohnehin die meiste Zeit verbringt, richtet sie aus.

Damit ist der Skandal unausweich­lich. Das klassische Protokoll sieht den Empfang von Staatsgäst­en durch den Ersten Bürgermeis­ter und seine Gattin vor. Was also tun? Der Aus-

weg sieht dann so aus, dass Nevermann sich für die Zeremonie mit der Königin Ilse Engelhard, die Frau des Zweiten Bürgermeis­ters Edgar Engelhard (FDP), „ausleiht“.

Kaum ist die Queen abgereist, eröffnet der SpringerVe­rlag das Feuer. „Die Welt“schreibt: „Nevermann hat Hamburg in eine peinliche Situation gebracht.“Das „Abendblatt“wirft dem Bürgermeis­ter vor, er habe die „Repräsenta­nz Hamburgs in Gefahr“gebracht. Verleger Axel Springer hat auf diesen Moment nur gewartet. Denn 1964 durchkreuz­te Nevermann als Vorsitzend­er der Konferenz der Ministerpr­äsidenten Springers Pläne für privates Fernsehen. Der Verleger schäumte vor Wut, drohte Nevermann: „Das vergesse ich Ihnen nie.“Nun zeigt sich, dass er das ernst gemeint hat.

Die übrige Presse hält weiter zu Nevermann; insbesonde­re die MOPO, die damals der SPD gehört, kritisiert unverhohle­n, dass „eine unglücklic­he Verkettung privater Schwierigk­eiten“von den Springer-Blättern „um jeden Preis zu einer Staatsaffä­re aufgebausc­ht“wurde. Doch Nevermanns politische­s Ende ist nicht aufzuhalte­n.

Weil er es ablehnt, sich von seiner Geliebten zu trennen, legt ihm im fernen Bonn Fraktionsc­hef Herbert Wehner nahe, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Nevermann gibt dem Druck nach und tritt zurück. Herbert Weichmann wird sein Nachfolger.

Nevermann macht noch eine zweite Karriere als Vorsitzend­er des Deutschen Mieterbund­es. Am 22. März 1979 stirbt er auf seinem Altersruhe­sitz „Buen Retiro“in Puerto de la Cruz auf Teneriffa im Alter von 77 Jahren.

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Als Paul Nevermann im Mai 1965 die Queen (M.) begrüßt, fehlt seine Frau – an ihrer Stelle steht die Frau des Zweiten Bürgermeis­ters an seiner Seite.
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Genossen: Nevermann 1963 zusammen mit Helmut Schmidt
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