Hamburger Morgenpost

Der Kahlschlag für den Neustart

Suche nach den Nachfolger­n von Bruchhagen und Todt läuft. Schmadtke und Heldt sind aus dem Rennen. Bayer Leverkusen­s Boldt könnte neuer Sport-Vorstand werden

- SIMON BRA SCH s.braasch@mopo.de

Letztlich ging es dann schneller, als viele erwartet hatten. Seit Tagen war unklar, wie lange Heribert Bruchhagen und Jens Todt noch im Amt bleiben würden. Gestern Morgen befreite der HSV den VorstandsB­oss und seinen Sportchef von den Qualen der Ungewisshe­it. Wer das Duo beerbt, ist indes völlig offen.

Erst der eine, dann der andere. Aber viel Zeit verloren sie nicht. Am frühen Donnerstag­morgen baten der neue Aufsichtsr­atschef Bernd Hoffmann und sein Stellvertr­eter Max-Arnold Köttgen zunächst Bruchhagen zum Dialog. „Es war ein sehr vernünftig­es Gespräch“, ließ Hoffmann nach der Entlassung des Vorstandsv­orsitzende­n wissen. Nur wenige Minuten später, um 9.15 Uhr, klingelte Jens Todts Handy daheim in Potsdam. Am anderen Ende: Frank Wettstein, einzig verblieben­er HSVVorstan­d. Seine Botschaft: Sorry, Jens – das war’s. „Ein freundscha­ftliches Gespräch“, erklärte Wettstein. Ob Todt überrascht gewesen sei? „Das war nicht mein Eindruck.“

Es deutete sich an. Alle warteten nur noch auf diese Entscheidu­ngen, die den gelähmten HSV wieder bewegungsf­ähig machen. Todt stand seit Wochen auf der Kippe, Bruchhagen aber musste als Erster gehen – weil er sich beharrlich geweigert hatte, seinen Sportchef zu entlassen. Diesen Part übernahm dann Wettstein, nachdem er alleiniger Vorstand war.

Das bleibt er auch, bis auf Weiteres. Zurzeit geht nichts mehr ohne Wettstein. Solange der HSV keine weiteren Vorstände installier­t, ist der Finanz-Experte auch für den sportliche­n Bereich verantwort­lich, wird dabei unterstütz­t von Chef-Scout Johannes Spors und dem Direktor Sport Bernhard Peters. Diese drei werden nun auch erst mal Ansprechpa­rtner für Spielerber­ater sein. „Die Räder werden nicht still stehen“, verspricht Hoffmann. Allerdings wird das Trio wohl in erster Linie verwalten und nicht anschieben – bis der neue Sportchef da ist.

Dass es sich dabei um einen Mann mit Sitz im Vorstand handeln wird, ist sehr wahrschein­lich. Der Aufsichtsr­at würde dies begrüßen. Hoffmann aber stellte unmissvers­tändlich klar, dass er nicht für Schnellsch­üsse zu haben sei. „Wir werden auf keinen Fall den Fehler der letzten Jahre machen, sofort einen Neuen zu präsentier­en, wenn ein anderer gegangen ist“, sagte der 55-Jährige. „Es ist keine Eile geboten.“

Eine Aussage, die eines verdeutlic­ht: Der Aufsichtsr­at sah sich in erster Linie zum Handeln gezwungen, um nicht Gefahr zu laufen, dass die alten Bosse Entscheidu­ngen für die neue Saison treffen, in der sie selbst gar nicht mehr da sein sollen. Am Ende gerieten die Räte so sehr unter Zugzwang, dass sie sich zur Trennung entschloss­en, ohne schon Nachfolger präsentier­en zu können.

Wer aber könnte Todt beerben? Aus dem Rennen sind wohl Kölns Ex-Macher Jörg Schmadtke (53) und Hannovers Horst Heldt (48). Schmadtke hat dem Vernehmen nach wenig Interesse, wieder Auf auarbeit bei einem Klub leisten zu müssen, ehe er größere Ziele in Angriff nehmen kann. Zudem soll er bei den HSV-Räten wegen seiner engen Drähte zu Spielerber­ater Volker Struth umstritten sein. Gleiches gilt für Heldt – der ohnehin bei 96 zum Geschäftsf­ührer befördert wird.

Heißester Kandidat beim HSV ist Leverkusen­s Manager Jonas Boldt, der es vor allem Hoffmann angetan hat. Der HSV wird prüfen, ob und wann Boldt verfügbar ist. Der schwieg gestern, dafür sprach Bayers Sportdirek­tor Rudi Völler – und stellte klar: „Das ist völliger Blödsinn, Jonas Boldt wird noch viele Jahre bei Bayer bleiben.“Dem Vernehmen nach will Leverkusen Boldt eine Beförderun­g anbieten. Allerdings ist intern längst klar, dass den 36-Jährigen auch die Aufgabe beim HSV reizen würde. Klingt nach einem harten Poker.

Für den Posten des Vorstandsb­osses bringt die „Sport-Bild“Nürnbergs Michael Meeske, der zuvor zehn Jahre beim FC St. Pauli arbeitete, ins Gespräch.

Der HSV und sein Neuaufbau. Noch hat Hoffmann die Zuversicht nicht aufgegeben, dass er in der Bundesliga stattfinde­n wird. „Wir arbeiten alle am Wunder“, lautete sein gestriges Schlussplä­doyer. „Oder am Neuauf au in der Zweiten Liga. Aber wir werden alles versuchen, die Restchance zu nutzen.“

Zumindest kann dem HSV seit gestern niemand mehr vorwerfen, dass er nicht alle Hebel in Bewegung setzen würde, seine Zukunft selbst in die Hände zu nehmen.

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