HSV-Spieler gehen aufeinander los
Jetzt bricht Chaos aus.
Wenn man das alles mit einer gehörigen Portion Galgenhumor auffasst, könnte man sagen: Zumindest diese Klatsche dürfte dem HSV in der kommenden Saison erspart bleiben. Wieder mal gab’s in München mächtig Haue, mit 0:6 (0:3) kam der sterbende Liga-Dino beim FC Bayern unter die Räder. Fast noch dramatischer: Nach dem Abpfiff gingen die Profis verbal aufeinander los.
Ist ja nicht so, dass man es nicht geahnt hätte. Zwei Minuten waren in der Allianz Arena absolviert, da begannen die BayernFans schon damit, ihren Forderungen lautstark Ausdruck zu verleihen. „Nur noch zehn, nur noch zehn“, hallte es durchs Rund, das alles beim Stande von 0:0. Zehn Gegentore wurden es auch diesmal nicht, auch nicht neun oder acht wie in so manchem Jahr zuvor. Ernüchternd war es dennoch. 0:6. Es sagt so vieles über den Zustand des HSV aus, dass das Ergebnis fast noch das Positivste dieses Tages war.
Ein hoffnungsloser Fall dieser HSV, in jedem Fall in München, wahrscheinlich auch auf die ganze Saison bezogen. Und nun bröckelt auch der Teamgedanke, den man den Profis bislang noch weitestgehend zuschreiben konnte.
Sven Schipplock jedenfalls hat die Schnauze gestrichen voll. „Viel schlimmer als gegnerische Fangesänge ist die Einstellung bei einigen von uns“, ätzte der Angreifer im NDR gegen seine Mitspieler. „Keine Ahnung, wie so etwas möglich ist. Die sollte man mal fragen.“Und auch der Kapitän fand deutliche Worte: „Wir wollten alles geben – aber das war kein Männersport“, erklärte Gotoku Sakai.
Der HSV zerfleischt sich selbst, nachdem er zuvor von den Bayern filetiert wurde. Ruck, zuck ging das. Nach acht Minuten traf Ribéry zur BayernFührung, „nur noch neun, nur noch neun“, grölte die Menge. Lewandowski legte per Kopf nach (12.), also „nur noch acht, nur noch acht“, aber nicht mehr lange, da waren es „nur noch sieben, nur noch sieben“– weil Lewandowski erneut traf (19.).
Gut für den HSV, dass die Bayern schnell ein, zwei Gänge und Gesänge rausnahmen. So fehlten letztlich vier Treffer zum zweistelligen Resultat. Robben (55.), Ribéry (81.) und Lewandowski (Strafstoß nach einem VanDrongelen-Foul/90.) erhöhten auf 6:0. Lewandowski war so gnädig, dass er sogar noch einen Elfmeter drüber legte (86./zuvor hatte Papadopoulos gefoult).
Die nächste Klatsche für den HSV, der dem Abstieg entgegentaumelt und am Sonnabend gegen Hertha BSC die nun wirklich allerletzte Chance besitzen dürfte, noch mal Hoffnung zu schöpfen. Die Frage aber stellt sich: Was kann Bernd Hollerbach noch bewegen? Seit zwölf Spielen ist der HSV sieglos, sieben davon unter Hollerbachs Regie. Der Trainer wehrt sich schon, machte auch die Unruhe der Woche mit den Entlassungen von Vorstands-Boss Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt für den blutleeren Auftritt in München verantwortlich.
„Zwei Tage vor dem Spiel solche Entscheidungen“, monierte der Trainer, „das hat manchen Spieler schon verunsichert, das habe ich gemerkt. Die Galligkeit der letzten Spiele hat bei uns gefehlt.“
Und nun? Hollerbachs Rauswurf ist erst mal nicht angedacht. Dennoch wüsste er gern, woran er ist. „Ich denke schon, dass die Herren irgendwann mit mir reden werden“, ließ er wissen. Passiert nichts Unerwartetes, wird er gegen die Hertha erneut versuchen dürfen, zu gewinnen. Wie das gelingen soll, weiß nur er. Wenn überhaupt.
Trotz der kurz geschorenen Haare hatte er einen mächtigen Kamm.
Nach dem 0:6 in München platzte Kyriakos Papadopoulos der Kragen, die große Abrechnung des Griechen ließ nicht lange auf sich warten. Für den 26-Jährigen tragen die entlassenen Ex-Bosse Heribert Bruchhagen und Jens Todt großen Anteil am Niedergang des Vereins – weil sie im Winter nicht handelten!
Was für eine Brandrede von Papadopoulos. Am Donnerstag waren Bruchhagen und Todt entlassen worden, nun zählte der Abwehr-Boss sie nachträglich an. „Das war ein richtig schlechtes Spiel von uns“, ließ er zunächst wissen – und legte dann erst so richtig los: „Meiner Meinung nach wurden auch schon vor der Saison Fehler gemacht, in der Transferperiode. Und auch im Winter. Alle Mannschaften haben sich verstärkt und Stürmer geholt, die Tore schießen, ob nun Stuttgart oder Köln. Wir aber haben niemanden bekommen! Das ist auch ein Grund, warum wir da stehen, wo wir sind.“
Rums! „Papa“rechnet mit den Ex-Bossen ab. Weil der HSV, anders als Köln (mit Simon Terodde) oder Stuttgart (mit Mario Gomez) keinen Profi verpflichtete, der für mehr Torgefahr sorgt. Gleichzeitig stellte sich der Grieche schützend vor Trainer Bernd Hollerbach: „Was hat er mit unserer Leistung zu tun? Unsere Mannschaft hat Schwierigkeiten. Das ist überhaupt kein Trainerproblem. Wir gehen doch in ein Spiel und liegen nach 19 Minuten 3:0 hinten. Was kann er dafür?“
Dennoch: Papadopoulos gibt noch nicht auf, sagt: „Wir haben jetzt gegen Hertha BSC unser Finale. Das ist unsere letzte Chance, da müssen wir gewinnen.“Grundsätzlich kann er ohnehin nicht glauben, was gerade mit dem HSV passiert: „So was habe ich noch nie erlebt. Ich war noch nie im Abstiegskampf. Das alles ist richtig schlimm!“