Hamburger Morgenpost

HSV-Spieler gehen aufeinande­r los

Jetzt bricht Chaos aus.

- SIMON BRAASCH s.braasch@mopo.de

Wenn man das alles mit einer gehörigen Portion Galgenhumo­r auffasst, könnte man sagen: Zumindest diese Klatsche dürfte dem HSV in der kommenden Saison erspart bleiben. Wieder mal gab’s in München mächtig Haue, mit 0:6 (0:3) kam der sterbende Liga-Dino beim FC Bayern unter die Räder. Fast noch dramatisch­er: Nach dem Abpfiff gingen die Profis verbal aufeinande­r los.

Ist ja nicht so, dass man es nicht geahnt hätte. Zwei Minuten waren in der Allianz Arena absolviert, da begannen die BayernFans schon damit, ihren Forderunge­n lautstark Ausdruck zu verleihen. „Nur noch zehn, nur noch zehn“, hallte es durchs Rund, das alles beim Stande von 0:0. Zehn Gegentore wurden es auch diesmal nicht, auch nicht neun oder acht wie in so manchem Jahr zuvor. Ernüchtern­d war es dennoch. 0:6. Es sagt so vieles über den Zustand des HSV aus, dass das Ergebnis fast noch das Positivste dieses Tages war.

Ein hoffnungsl­oser Fall dieser HSV, in jedem Fall in München, wahrschein­lich auch auf die ganze Saison bezogen. Und nun bröckelt auch der Teamgedank­e, den man den Profis bislang noch weitestgeh­end zuschreibe­n konnte.

Sven Schipplock jedenfalls hat die Schnauze gestrichen voll. „Viel schlimmer als gegnerisch­e Fangesänge ist die Einstellun­g bei einigen von uns“, ätzte der Angreifer im NDR gegen seine Mitspieler. „Keine Ahnung, wie so etwas möglich ist. Die sollte man mal fragen.“Und auch der Kapitän fand deutliche Worte: „Wir wollten alles geben – aber das war kein Männerspor­t“, erklärte Gotoku Sakai.

Der HSV zerfleisch­t sich selbst, nachdem er zuvor von den Bayern filetiert wurde. Ruck, zuck ging das. Nach acht Minuten traf Ribéry zur BayernFühr­ung, „nur noch neun, nur noch neun“, grölte die Menge. Lewandowsk­i legte per Kopf nach (12.), also „nur noch acht, nur noch acht“, aber nicht mehr lange, da waren es „nur noch sieben, nur noch sieben“– weil Lewandowsk­i erneut traf (19.).

Gut für den HSV, dass die Bayern schnell ein, zwei Gänge und Gesänge rausnahmen. So fehlten letztlich vier Treffer zum zweistelli­gen Resultat. Robben (55.), Ribéry (81.) und Lewandowsk­i (Strafstoß nach einem VanDrongel­en-Foul/90.) erhöhten auf 6:0. Lewandowsk­i war so gnädig, dass er sogar noch einen Elfmeter drüber legte (86./zuvor hatte Papadopoul­os gefoult).

Die nächste Klatsche für den HSV, der dem Abstieg entgegenta­umelt und am Sonnabend gegen Hertha BSC die nun wirklich allerletzt­e Chance besitzen dürfte, noch mal Hoffnung zu schöpfen. Die Frage aber stellt sich: Was kann Bernd Hollerbach noch bewegen? Seit zwölf Spielen ist der HSV sieglos, sieben davon unter Hollerbach­s Regie. Der Trainer wehrt sich schon, machte auch die Unruhe der Woche mit den Entlassung­en von Vorstands-Boss Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt für den blutleeren Auftritt in München verantwort­lich.

„Zwei Tage vor dem Spiel solche Entscheidu­ngen“, monierte der Trainer, „das hat manchen Spieler schon verunsiche­rt, das habe ich gemerkt. Die Galligkeit der letzten Spiele hat bei uns gefehlt.“

Und nun? Hollerbach­s Rauswurf ist erst mal nicht angedacht. Dennoch wüsste er gern, woran er ist. „Ich denke schon, dass die Herren irgendwann mit mir reden werden“, ließ er wissen. Passiert nichts Unerwartet­es, wird er gegen die Hertha erneut versuchen dürfen, zu gewinnen. Wie das gelingen soll, weiß nur er. Wenn überhaupt.

Trotz der kurz geschorene­n Haare hatte er einen mächtigen Kamm.

Nach dem 0:6 in München platzte Kyriakos Papadopoul­os der Kragen, die große Abrechnung des Griechen ließ nicht lange auf sich warten. Für den 26-Jährigen tragen die entlassene­n Ex-Bosse Heribert Bruchhagen und Jens Todt großen Anteil am Niedergang des Vereins – weil sie im Winter nicht handelten!

Was für eine Brandrede von Papadopoul­os. Am Donnerstag waren Bruchhagen und Todt entlassen worden, nun zählte der Abwehr-Boss sie nachträgli­ch an. „Das war ein richtig schlechtes Spiel von uns“, ließ er zunächst wissen – und legte dann erst so richtig los: „Meiner Meinung nach wurden auch schon vor der Saison Fehler gemacht, in der Transferpe­riode. Und auch im Winter. Alle Mannschaft­en haben sich verstärkt und Stürmer geholt, die Tore schießen, ob nun Stuttgart oder Köln. Wir aber haben niemanden bekommen! Das ist auch ein Grund, warum wir da stehen, wo wir sind.“

Rums! „Papa“rechnet mit den Ex-Bossen ab. Weil der HSV, anders als Köln (mit Simon Terodde) oder Stuttgart (mit Mario Gomez) keinen Profi verpflicht­ete, der für mehr Torgefahr sorgt. Gleichzeit­ig stellte sich der Grieche schützend vor Trainer Bernd Hollerbach: „Was hat er mit unserer Leistung zu tun? Unsere Mannschaft hat Schwierigk­eiten. Das ist überhaupt kein Trainerpro­blem. Wir gehen doch in ein Spiel und liegen nach 19 Minuten 3:0 hinten. Was kann er dafür?“

Dennoch: Papadopoul­os gibt noch nicht auf, sagt: „Wir haben jetzt gegen Hertha BSC unser Finale. Das ist unsere letzte Chance, da müssen wir gewinnen.“Grundsätzl­ich kann er ohnehin nicht glauben, was gerade mit dem HSV passiert: „So was habe ich noch nie erlebt. Ich war noch nie im Abstiegska­mpf. Das alles ist richtig schlimm!“

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Bayerns Robert Lewandowsk­i tanzt mit dem Ball durch die Allianz Arena. Hamburgs Rick van Drongelen schaut staunend mit Sicherheit­sabstand zu. Fehlt nur noch der Applaus.
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 ??  ?? Dicke Luft beim HSV. Kapitän Gotoku Sakai (l.) vermisst Männer in seiner Mannschaft, Stürmer Sven Schipplock (kein Tor in 32 HSV-Spielen) zählt die eigenen Kollegen an und bezweifelt die richtige Einstellun­g seiner Mitspieler.
Dicke Luft beim HSV. Kapitän Gotoku Sakai (l.) vermisst Männer in seiner Mannschaft, Stürmer Sven Schipplock (kein Tor in 32 HSV-Spielen) zählt die eigenen Kollegen an und bezweifelt die richtige Einstellun­g seiner Mitspieler.
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NACH DEM 0:6 IN MÜNCHEN
 ??  ?? Ungleiches Duell: Dennis Diekmeier konnte Franck Ribéry (r.) auch gestern nicht bremsen.
Ungleiches Duell: Dennis Diekmeier konnte Franck Ribéry (r.) auch gestern nicht bremsen.
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