Hamburger Morgenpost

Sexuelle Belästigun­g beim Weißen Ring in Lübeck?

Frauen schildern, wie ihre akute Notlage vom Vorsitzend­en ausgenutzt wurde

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Es sind Protokolle mit schockiere­ndem Inhalt. Frauen schildern, wie sie erniedrigt, zu sexuellen Handlungen genötigt und zur Prostituti­on gedrängt wurden. Wie sich ein Mann vor ihnen entblößte und sie auffordert­e, ihn zu befriedige­n. Der Mann, von dem hier die Rede ist, galt bislang als ehrbarer Bürger der Stadt Lübeck. Von Politikern, Geschäftsl­euten und Prominente­n hofiert: Es ist Detlef Hardt (73), bis vor Kurzem Chef des Weißen Rings in Lübeck.

Ausgerechn­et der Weiße Ring. Eine Organisati­on, die sich um Menschen kümmert, die als Opfer eines Verbrechen­s unschuldig in Not geraten sind. Und ausgerechn­et deren Lage soll der Lübecker Chef ausgenutzt haben. Das berichten „Spiegel“und „Lübecker Nachrichte­n“.

Eine der Frauen suchte später Rat beim Lübecker Frauennotr­uf. Dort berichtete sie von ihrer ersten Begegnung mit Hardt, es gibt dazu ein Protokoll.

LÜBECK –

Demnach sei der Mann zunächst „sehr nett“gewesen, habe ihr 250 Euro gegeben, worüber sie „sehr, sehr glücklich“gewesen sei. Später habe Hardt sie erneut in sein Büro gebeten – „ohne Kinder“. Dort habe er dann gefragt, ob sie schon einmal als Prostituie­rte gearbeitet habe. Das sei doch eine Lösung: Geschäftsl­eute verwöhnen, bis zu 1000 Euro an einem Abend könne sie verdienen.

Wenig später habe sich Hardt vor ihr aufgebaut, seine Hose geöffnet. „Ich sah sein widerlich stinkendes Ding, ich habe den Geruch noch heute in der Nase!“

Ein einmaliger Vorfall? Schon seit Jahren, so das Magazin, „wurde in Lübeck geflüstert, dass sich Hardt angeblich an Opfer heranmache“. Die Staatsanwa­ltschaft habe seit 2006 drei Hinweise bekommen, die Polizeifüh­rung in Lübeck habe 2012 davon erfahren, dass Hardt sich bei Frauen „nicht immer im Griff“habe. Ein Polizist wird mit den Worten zitiert: „Da hat eine ganze Stadt den Mund gehalten, bis hinein ins Rathaus.“Warum?

Weil Detlef Hardt in Lübeck der Weiße Ring in Person war? Zu dem, wenn er zum Jahrestref­fen rief, alle kamen: Minister, Abgeordnet­e, Gerichtspr­äsidenten, Polizeiche­fs. Alles Verbündete im Namen einer guten Sache. Wollte man den makellosen Ruf nicht schädigen?

Auch der Landesvors­itzende des Weißen Rings SchleswigH­olstein, der frühere Justizmini­ster Uwe Döring, soll lange geschwiege­n haben. Er habe erst im November 2016 von den Vorwürfen erfahren, sagt er. Nur: Der damalige Lübecker Polizeiche­f Heiko Hüttmann soll Döring schon vier Jahre zuvor informiert haben.

Erst Anfang dieses Jahres, als der öffentlich­e Druck zu groß wurde, musste Hardt seinen Posten räumen. Und zwei Frauen im Alter von 40 und 50 Jahren haben jetzt Strafanzei­ge gegen ihn erstattet.

Hardt wies alle Vorwürfe zurück. „Das ist ehrverletz­end und widerlich.“Er wisse von keiner Anzeige, habe aber selbst Anzeige wegen Verleumdun­g und übler Nachrede erstattet.

Doch, so wird in Lübeck gemunkelt, wenn mehrere Frauen, die sich nicht kannten, über sexuelle Übergriffe klagten, wie glaubhaft ist dann Hardts Dementi?

Fragt sich das auch Uwe Döring? Er trat gestern als Landesvors­itzender zurück. Er wolle Schaden vom Weißen Ring abwenden, der sich seit Jahrzehnte­n engagiert für Kriminalit­ätsopfer einsetze und auf Spenden angewiesen sei.

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Der Landesvors­itzende des Weißen Rings Schleswig-Holstein, der frühere Justizmini­ster Uwe Döring, trat gestern zurück.

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