Beamte retten 67 Kinder aus Bruchbude
Bergedorf Wohnhaus illegal ausgebaut. Giftige Gase und offene Stromleitungen – Bewohner in Lebensgefahr
Die defekte Gastherme blies Kohlenmonoxid in Wohnräume. Im Bad gab es blanke Elektroleitungen und die Toiletten waren völlig verdreckt: In einem Bergedorfer Mietshaus herrschten entsetzliche Zustände – und hier lebten 158 Menschen, darunter 67 Kinder, unter Lebensgefahr!
Punkt 6 Uhr fuhr ein HVVBus an der Straße Reetwerder vor. Die Türen schwangen auf und 62 Polizisten sprangen raus, stürmten das dreistöckige Gebäude. Dann rückten 50 weitere Beamte von Bezirksamt, Steuerfahndung, Jobcenter, Zoll und Einwohnerzentralamt an. Sie trafen auf unglaubliche Zustände.
Bis zu neun Menschen wurden in kleinen Zimmern angetroffen. Kaum acht Quadratmeter standen den Bewohnern zur Verfügung. Nach dem Wohnraumschutzgesetz müssen es mindestens zehn Quadratmeter sein. Noch schlimmer: Die Bewohner von sechs Räumen waren in Lebensgefahr. Hier war die Gastherme defekt und hochgiftiges Kohlenmonoxid strömte aus.
Der Hausbesitzer hatte außerdem im Dachgeschoss Menschen ohne Genehmigung einquartiert. Sanitäreinrichtungen gab es im Haus viel zu wenige, viele Armaturen waren auch defekt.
Ebenso reichten die Müllbehälter – die im Hausflur standen – niemals für die große Anzahl an Bewohnern. Sie quollen über, es stank im ganzen Haus. Auf einem Vordach im Hinterhof lag Sperrmüll und Dreck, dazu unzählige volle Windeln.
Wegen akuter Kindeswohlgefährdung und der Gefahrensituation durch die defekte Gastherme wurden sechs Räume für unbewohnbar erklärt. 20 Erwachsene und zehn Kinder wurden mit dem HVV-Bus in ein Ausweichquartier von „Fördern und Wohnen“in Wandsbek gebracht.
Bei den betroffenen Menschen handelt es sich zu etwa zwei Dritteln um Rumänen und zu einem Drittel um Bulgaren. Offiziell gemeldet sind in dem Haus 139 Erwachsene und 61 Kinder. Diese ungewöhnlich hohe Zahl war Mitarbeitern des Bezirksamts Bergedorf aufgefallen. Die Überprüfung wurde daraufhin wochenlang vorbereitet. Von den Menschen, die gestern bei der Durchsuchung angetroffen wurden, waren 43 nicht im Haus gemeldet.
Jetzt wird gegen den Besitzer des Mietshauses, in dem vor Jahren auch Prostituierte ihrem Gewerbe nachgingen, ermittelt. Es soll sich um den Privatmann F. handeln, der dieses Haus seit etwa sieben Jahren besitzt. Angeblich soll er über einen „Hausmeister“pauschal pro Zimmer 500 Euro monatlich in bar kassiert haben, erzählt ein ehemaliger Bewohner.
Keiner kontrollierte, wie viele Menschen in den Räumen lebten. Korrekte Mietverträge gab es offenbar nicht. Der Vermieter war gestern für das Bezirksamt Bergedorf nicht greifbar. Er schickte lediglich einen „Beauftragten“zum Gebäude, der aber nicht entscheidungsbefugt war. Das Bezirksamt wird den Hausbesitzer nun auffordern, umgehend menschenwürdige Zustände in seinem Mietshaus zu schaffen.
Überall Müll, gebrauchte Windeln, dazu defekte Sanitäranlagen und eine lebensgefährliche Heizung