Hamburger Morgenpost

So treibt Hamburg Menschen in Hartz IV

Neue Gebührenor­dnung bestraft wohnungslo­se Geringverd­iener

- Von MIKE SCHLINK

Bezahlbare­r Wohnraum in Hamburg ist rar. Knapp 29000 Menschen sind auf städtische Unterbring­ung angewiesen – und auch die ist seit dem 1. Januar richtig teuer. Die Stadt hat die Gebühren für die Unterbring­ung um das Vierfache erhöht. Und treibt damit arme Mieter in Hartz IV.

Hintergrun­d: Bis Ende 2017 zahlten Jobcenter oder Sozialamt 141 Euro pro Person und Monat an „Fördern und Wohnen“, den Betreiber der öffentlich-rechtliche­n Unterbring­ungen. Ab diesem Jahr beträgt die Gebühr 587 Euro – damit der Kostendeck­ungsgrad von 21 Prozent auf 88 Prozent erhöht wird.

Laut Sozialbehö­rde sind 90 Prozent der Bewohner nicht betroffen, da sie Sozialleis­tungen beziehen – im Endeffekt begleicht also die Sozialkass­e die höhere Rechnung. Aber: Leidtragen­d sind plötzlich die „Selbstzahl­enden“.

Die leben zwar in einer öffentlich­en Wohnunterk­unft, verdienen aber ihr eigenes Geld, erhalten keine Sozialleis­tungen. Sie müssen jetzt auch die Preissteig­erung tragen – es sei denn, sie verdienen zwischen 730 Euro und 1300 Euro netto pro Monat. Dann greift eine „reduzierte Gebühr“von 210 Euro. Wer weniger als 730 Euro verdient, zahlt jedoch die volle Gebühr von 587 Euro – und rutscht damit in Hartz IV ab.

Ein Beispiel: Eine Person mit einem Nettoeinko­mmen von 729 Euro musste 2017 noch 141 Euro Wohngebühr zahlen. Übrig blieben noch 588 Euro – und damit 179 Euro mehr als der damalige HartzIV-Satz (409 Euro).

Heute muss sie 587 Euro zahlen, übrig bleiben so nur 142 Euro. Das Geld wird zwar vom Staat auf 416 Euro aufgestock­t – unterm Strich bleiben aber rund 150 Euro monatlich weniger als zuvor.

„Die Stadt ist sich bewusst, dass die Gebührenan­passung bei Selbstzahl­ern grundsätzl­ich zu finanziell­en Belastunge­n führen kann“, so die Sozialbehö­rde. Betroffene könnten einen Härtefalla­ntrag stellen, um die Gebühr auf 210 Euro zu senken. Aber auch dann hätten sie deutlich weniger Geld zur Verfügung.

Wie viele Personen betroffen sind, weiß die Behörde nicht. Fakt ist: Bislang wurden insgesamt 122 Härtefalla­nträge gestellt. BehördenIn­sider gehen jedoch davon aus, dass Hunderte durch die neue Gebühr in Hartz IV gedrängt werden.

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Flüchtling­e, Geringverd­iener und Rentner leben in den Einrichtun­gen der öffentlich­rechtliche­n Unterbring­ung – wie hier in Sieversstü­cken (Rissen).

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