Der Händler des Guten
Kaufe und teile: Sebastian Stricker vertreibt über Rewe und DM Produkte, die Menschen in Not helfen
BERLIN – Vor Jahren erlebte Sebastian Stricker, was es heißt, auf der Sonnenseite zu stehen. Der Entwicklungshelfer und ehemalige erfolgreiche Unternehmensberater fuhr, schnieke gekleidet im edlen Anzug, in einem weißen Land Rover an einer Essensausgabe in einem Dorf in Äthiopien vor. Es war heiß und staubig. Hunderte Menschen harrten geduldig aus, um einen Happen Reis zu ergattern. Stricker sah Szenen wie diese zum ersten Mal. Ein Mann um die 50, der ebenso fürs Essen anstand, bemerkte ihn und lud ihn herzlich ein zu bleiben. „Da wusste ich um mein Glück, in Wien und nicht in Äthiopien geboren zu sein“, sagt der heute 35-Jährige. Es habe ihn Demut gelernt.
Wir treffen Stricker in Berlin. Hier lebt er seit fast vier Jahren. Sein Job hat ihn hierhin verschlagen, und zurzeit steckt er seine ganze Energie in ein Start-up, das bundesweit für Furore sorgt. Die Firma stellt Produkte wie Müsliriegel, Wasser und Handseife her, die seit Mitte März bundesweit in 5000 Rewe- und DM-Filialen vertrieben werden. „Share“heißen die Produkte, kosten 1 bis 3 Euro. Das Prinzip „Teile“sei so einfach wie sein Name, sagt Stricker: „Mit dem Kauf eines Produkts hilft man gleichzeitig einem Menschen in Not. Mit dem Kauf unseres Bio-Nussriegels versorgst du einen Menschen mit einer Mahlzeit. Mit dem Kauf unseres Mineralwassers einen Menschen einen Tag mit Wasser.“Wer Handseife erwerbe, versorge einen Menschen mit einem Stück Seife.
Sebastian Stricker weiß, wie viel selbst wenig Geld helfen kann. Gerade 40 Cent koste es, ein hungerndes Kind in Entwicklungsländern für einen Tag zu ernähren. Der Österreicher entwickelte daher 2014 die App „Share the meal“, mit der Smartphone-Nutzer per Fingerwisch das Welternährungsprogramm der UN mit einer Mahlzeit mitfinanzieren können. 21,5 Millionen Tagesrationen wurden seither ermöglicht. Täglich 20 000 Essensrationen. Der AppNutzer zahlt nur 40 Cent.
Inzwischen ist Stricker aus dem Geschäft ausgestiegen. Er wollte mehr und gründete mit drei Kollegen „Share“. „In
Deutschland verteilen wir vor allem gerettete Lebensmittel, die wegen mangelnder Abnahme im Müll landen würden. In Entwicklungsländern fördern wir die Landwirtschaft und unterstützen bei Notfall-Ernährungsprogrammen.“Er fügt hinzu: „Es geht um Nachhaltigkeit und darum, eine Organisation aufzubauen, die wirklich sozialen Nutzen schafft, und einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.“In den USA oder Großbritannien gebe es diese Geschäftsmodelle schon länger. „Auf der Welt leiden noch immer 800 Millionen Menschen an Hunger. Dabei sind weltweit mehr als genug Lebensmittel vorhanden. Das Problem entsteht also nicht durch allgemeinen Nahrungsmangel, sondern durch eine ungleiche Verteilung.“Zudem hätten 600 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. „In Deutschland hingegen kennt das Angebot im Getränkeregal keine Grenzen – es reicht von Wasser aus einem grünen französischen Vulkan bis zu Kokosnusswasser aus Hawaii.“
Für Stricker, der sich nach seinem Job in einer Unternehmensberatung bei den UN und der Clinton-Stiftung für Malariaund HIV-Aufklärung in DritteWelt-Ländern engagierte, ist dies der Job der Zukunft: eine private Sozialwirtschaft. Und wie finanziert er das? „Was die großen Lebensmittelkonzerne in Marketing investieren, das stecken wir in soziale Projekte“, sagt der 35-jährige Geschäftsmann. „Wir hoffen, dass das das bessere Marketing ist.“Unterstützt werden so unter anderem Hilfsprojekte in Liberia, Kambodscha oder in Äthiopien, aber auch die Berliner Tafel.
Das Ziel von Sebastian Stricker ist, die Idee im Lebensmittelbereich in Deutschland weiter zu verbreiten. Die Erstproduktion von drei Millionen Produkten ist bis Ende des Jahres finanziert.
Das Geld kommt unter anderem von den Atlantic Labs des Berliner Investors Christophe Maire und Andreas Berger, einem ehemaligen Manager des Schweizer Handelskonzerns Valora. „Mein Traum ist natürlich, dass wir die Palette noch ausweiten“, sagt Stricker. So hätte er gern noch ein Bildungsprodukt im Angebot, um damit Hefte oder Kugelschreiber zu finanzieren. Doch er gehe es langsam an. Immerhin konnten inzwischen bereits fünf Brunnen und mehrere Tausend Essen finanziert werden.