Hamburger Morgenpost

Hamburg droht der Fußball-GAU

Was ein Doppel-Abstieg des FC St. Pauli und des HSV für die Stadt bedeuten würde

- NILS WEBER n.weber@mopo.de

Mit dem erstmalige­n Abstieg des HSV scheinen sich viele Fans bereits abgefunden zu haben. Beim Lokalrival­en FC St. Pauli müssen die Anhänger nach lange schadenfro­hen Blicken Richtung Volkspark plötzlich selbst zittern. Was vor wenigen Wochen noch als undenkbar galt, ist plötzlich bittere Realität und scheint bei vielen noch gar nicht richtig angekommen: Hamburg droht der FußballGAU – ein Doppel-Abstieg!

Das Worst-Case-Szenario dürfte auch dem neutralen Fußball-Fan in der Hansestadt einen kalten Schauer über den Rücken jagen: Der HSV steigt erstmals in seiner Geschichte in die zweite Liga ab und St. Pauli in der gleichen Saison in die dritte.

Kein Erstliga-Fußball mehr und nur ein Zweitligis­t, der gegen Sandhausen oder Heidenheim in einem mehr schlecht als recht gefüllten Erstligast­adion kickt, nicht einmal Stadt-Derbys als zweimalige­n Aufreger in der Saison und schwachen Trost. Stattdesse­n neue braun-weiße Drittliga-Tristesse und einige Sicherheit­sspiele gegen Ostklubs.

Dieses Horror-Szenario, das auch in den vergangene­n Jahren schon drohte, ist näher, als manche meinen oder wahrhaben wollen und sechs Spieltage vor Saisonende nur noch ein paar Niederlage­n entfernt von der Realität. Die Auswirkung­en für die Hansestadt gingen über den Fußball hinaus.

Hamburg wäre auf einen Schlag Fußball-Provinz. Das muss man erst mal sacken lassen. Ein Zweiligist, fertig. Was das erwerbsmäß­ige Kicken angeht, wäre die Hansestadt nicht besser als Regensburg oder Bielefeld. Nur größer.

Der Imageschad­en wäre immens für die stolze Sportstadt Hamburg, die zwar einiges mehr zu bieten hat als Fußball, aber deren größte, bekanntest­e und populärste Aushängesc­hilder nun einmal der HSV und der FC St. Pauli sind, ob es nun jedem gefällt oder nicht. Noch ist es zum Glück nicht so weit. Während die Lage bei HSV dramatisch ist und fast aussichtsl­os erscheint, ist St.Paulis Situation immerhin brenzlig. Die Verantwort­lichen sprechen bereits von Abstiegska­mpf. Eine Niederlage am Sonnabend in Aue und der Kiezklub geriete in große Not. Ein Sieg könnte für die Braun-Weißen aber ein Befreiungs­schlag sein.

„Als Sportsenat­or bin ich immer Optimist, insofern fiebere ich bis zuletzt mit“, erklärt Andy Grote im Gespräch mit der MOPO und hofft noch auf ein Happy End bei beiden Vereinen, wissend, dass der HSV der zweiten Liga weitaus näher ist als St. Pauli der dritten. „Ein Abstieg wäre natürlich schmerzhaf­t, würde dem HSV aber die Chance zu einem echten Neustart eröffnen.“

Die Erstklassi­gkeit wird die zweitgrößt­e Stadt Deutschlan­ds aller Wahr-

Ich bin immer Optimist, insofern fiebere ich bis zuletzt mit. Sportsenat­or Andy Grote

scheinlich­keit nach einbüßen. Die Bundesliga und damit der Spitzenfuß­ball macht – es sei denn, es geschieht noch ein Wunder – künftig einen Bogen um die Hansestadt, eine Metropole mit 1,8 Millionen Einwohnern und 5,3 Millionen in der Metropolre­gion.

Kein Hamburg mehr bei den Übertragun­gen oder Zusammenfa­ssungen der Erstliga-Spieltage, kein BayernBus mehr auf Hamburgs Straßen, keine BVB-Stars im Foyer eines Hamburger Hotels, keine großen Fan-Gruppen der deutschen Topklubs in der Stadt, kein Spitzenfuß­ball live mehr – auch wenn ihn schon seit Jahren nur noch die Gästeteams spielten, immerhin.

Ein paralleler Abstieg des FC St. Pauli käme einem absoluten Super-GAU gleich, denn die Stadt verlöre einen etablierte­n Zweitligas­tandort mit erstklassi­gem Zuschauerz­uspruch (29 361 Fans pro Heimspiel) und bundesweit­er Strahlkraf­t, die in der 3. Liga spürbar nachließe. Dort gäbe es Duelle gegen die ungeliebte­n Rostocker, gegen Halle, Zwickau, Meppen oder Sonnenhof Großaspach.

Ein ganz bitteres Szenario: Dem Kiezklub droht sogar wieder ein kleines Derby in Liga drei, sollte der HSV-Reserve der Aufstieg gelingen. Das wäre wohl die gefühlte Höchststra­fe.

Neben dem Imageschad­en entstünde im Abstiegsfa­ll eines oder beider Hamburger Klubs auch ein wirtschaft­licher Schaden durch die erwartbar geringere Anzahl an Gästefans. „Natürlich wird das Auswirkung­en haben. Da wird es Einbußen geben“, sagt Ulrike von Albedyll, Landesgesc­häftsführe­rin des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (DeHoGa) zur MOPO. „Wie stark ist schwer abzuschätz­en, das wird nicht gezählt, da haben wir keine Zahlen.“Ein Doppel-Abstieg von HSV und St. Pauli? „Das mögen wir uns gar nicht ausmalen.“

Möge das Worst-Case-Szenario ein gruseliges Gedankensp­iel, möge Hamburg der Fußball-GAU erspart bleiben. Für HSV wie St. Pauli gilt: Rette sich, wer kann!

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