Hamburg droht der Fußball-GAU
Was ein Doppel-Abstieg des FC St. Pauli und des HSV für die Stadt bedeuten würde
Mit dem erstmaligen Abstieg des HSV scheinen sich viele Fans bereits abgefunden zu haben. Beim Lokalrivalen FC St. Pauli müssen die Anhänger nach lange schadenfrohen Blicken Richtung Volkspark plötzlich selbst zittern. Was vor wenigen Wochen noch als undenkbar galt, ist plötzlich bittere Realität und scheint bei vielen noch gar nicht richtig angekommen: Hamburg droht der FußballGAU – ein Doppel-Abstieg!
Das Worst-Case-Szenario dürfte auch dem neutralen Fußball-Fan in der Hansestadt einen kalten Schauer über den Rücken jagen: Der HSV steigt erstmals in seiner Geschichte in die zweite Liga ab und St. Pauli in der gleichen Saison in die dritte.
Kein Erstliga-Fußball mehr und nur ein Zweitligist, der gegen Sandhausen oder Heidenheim in einem mehr schlecht als recht gefüllten Erstligastadion kickt, nicht einmal Stadt-Derbys als zweimaligen Aufreger in der Saison und schwachen Trost. Stattdessen neue braun-weiße Drittliga-Tristesse und einige Sicherheitsspiele gegen Ostklubs.
Dieses Horror-Szenario, das auch in den vergangenen Jahren schon drohte, ist näher, als manche meinen oder wahrhaben wollen und sechs Spieltage vor Saisonende nur noch ein paar Niederlagen entfernt von der Realität. Die Auswirkungen für die Hansestadt gingen über den Fußball hinaus.
Hamburg wäre auf einen Schlag Fußball-Provinz. Das muss man erst mal sacken lassen. Ein Zweiligist, fertig. Was das erwerbsmäßige Kicken angeht, wäre die Hansestadt nicht besser als Regensburg oder Bielefeld. Nur größer.
Der Imageschaden wäre immens für die stolze Sportstadt Hamburg, die zwar einiges mehr zu bieten hat als Fußball, aber deren größte, bekannteste und populärste Aushängeschilder nun einmal der HSV und der FC St. Pauli sind, ob es nun jedem gefällt oder nicht. Noch ist es zum Glück nicht so weit. Während die Lage bei HSV dramatisch ist und fast aussichtslos erscheint, ist St.Paulis Situation immerhin brenzlig. Die Verantwortlichen sprechen bereits von Abstiegskampf. Eine Niederlage am Sonnabend in Aue und der Kiezklub geriete in große Not. Ein Sieg könnte für die Braun-Weißen aber ein Befreiungsschlag sein.
„Als Sportsenator bin ich immer Optimist, insofern fiebere ich bis zuletzt mit“, erklärt Andy Grote im Gespräch mit der MOPO und hofft noch auf ein Happy End bei beiden Vereinen, wissend, dass der HSV der zweiten Liga weitaus näher ist als St. Pauli der dritten. „Ein Abstieg wäre natürlich schmerzhaft, würde dem HSV aber die Chance zu einem echten Neustart eröffnen.“
Die Erstklassigkeit wird die zweitgrößte Stadt Deutschlands aller Wahr-
Ich bin immer Optimist, insofern fiebere ich bis zuletzt mit. Sportsenator Andy Grote
scheinlichkeit nach einbüßen. Die Bundesliga und damit der Spitzenfußball macht – es sei denn, es geschieht noch ein Wunder – künftig einen Bogen um die Hansestadt, eine Metropole mit 1,8 Millionen Einwohnern und 5,3 Millionen in der Metropolregion.
Kein Hamburg mehr bei den Übertragungen oder Zusammenfassungen der Erstliga-Spieltage, kein BayernBus mehr auf Hamburgs Straßen, keine BVB-Stars im Foyer eines Hamburger Hotels, keine großen Fan-Gruppen der deutschen Topklubs in der Stadt, kein Spitzenfußball live mehr – auch wenn ihn schon seit Jahren nur noch die Gästeteams spielten, immerhin.
Ein paralleler Abstieg des FC St. Pauli käme einem absoluten Super-GAU gleich, denn die Stadt verlöre einen etablierten Zweitligastandort mit erstklassigem Zuschauerzuspruch (29 361 Fans pro Heimspiel) und bundesweiter Strahlkraft, die in der 3. Liga spürbar nachließe. Dort gäbe es Duelle gegen die ungeliebten Rostocker, gegen Halle, Zwickau, Meppen oder Sonnenhof Großaspach.
Ein ganz bitteres Szenario: Dem Kiezklub droht sogar wieder ein kleines Derby in Liga drei, sollte der HSV-Reserve der Aufstieg gelingen. Das wäre wohl die gefühlte Höchststrafe.
Neben dem Imageschaden entstünde im Abstiegsfall eines oder beider Hamburger Klubs auch ein wirtschaftlicher Schaden durch die erwartbar geringere Anzahl an Gästefans. „Natürlich wird das Auswirkungen haben. Da wird es Einbußen geben“, sagt Ulrike von Albedyll, Landesgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa) zur MOPO. „Wie stark ist schwer abzuschätzen, das wird nicht gezählt, da haben wir keine Zahlen.“Ein Doppel-Abstieg von HSV und St. Pauli? „Das mögen wir uns gar nicht ausmalen.“
Möge das Worst-Case-Szenario ein gruseliges Gedankenspiel, möge Hamburg der Fußball-GAU erspart bleiben. Für HSV wie St. Pauli gilt: Rette sich, wer kann!