Hamburger Morgenpost

Auf den Straßen von Hamburg

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Manchmal nehme ich die Post in die Hand und stecke sie zurück in den Briefkaste­n. Es ist ein Kampf. Früher träumte ich von riesigen Villen. Heute weiß ich, dass ich gar nicht viel brauche. Das Wichtigste ist ein Zuhause.

Eine Tür, die sich öffnet. Ein Lichtschal­ter, der funktionie­rt. Eine Heizung, die mich wärmt. Ich kenne es ganz anders und bin dankbar. Meine Wohnung: ein kleiner Flur, daneben das Bad. Es bedeutet: duschen, wann immer ich will. Purer Luxus! Seit meiner Zeit auf der Straße sehe ich ein Badezimmer mit anderen Augen.

Im Wohnzimmer steht auch mein Bett. In Boxershort­s zu schlafen ist das Schönste. Es gibt keinen Kleidersch­rank in meiner Wohnung. Alle meine Sachen liegen in Taschen. Der Schlafsack auch so verstaut, immer griffberei­t. Ich bin bereit, weiterzuzi­ehen. Ich muss es nicht, das weiß ich. Doch es ist in meinem Kopf. Diese Rastlosigk­eit spüre ich immer noch.

Eine der größten Herausford­erungen am Ankommen in einer Wohnung ist es, langfristi­g häuslich zu sein. Ich besitze kaum etwas, um mich einzuricht­en.

Immerhin: Das weiße Regal mit sechs Fächern füllt sich allmählich. Vor allem mit Büchern. Ich habe in meinem Zuhause kein Internet. Ich verbringe meine Abende mit lesen und versuche, so Ruhe zu finden.

Ein Blick in die Küche reicht aus, um zu erkennen, dass ich mich damit weiterhin schwertue. Ich halte mich nicht gerne in der Küche auf. Es sieht mehr nach Abstellkam­mer aus: blaue Säcke, Putzsachen, Staubsauge­r. Die Schränke sind leer. Ich habe wenig Geschirr. Teller, ein Glas, Messer, Löffel und Gabel, das ist alles. Der Stecker vom Kühlschran­k liegt weiter auf dem Boden. Irgendetwa­s hält mich davon ab, ihn endlich an den Strom anzuschlie­ßen.

Die Straße ist noch immer in meinem Kopf. Die Wurzeln für meine Ablehnung gegen eine Küche liegen weit zurück. In meiner Kindheit. Raus aus der Küche und Tür zu.

Das Schönste an meiner Wohnung ist ein großes Fenster im Wohnzimmer. Ich sehe auf einen Baum. Auf der Straße habe ich durch die Äste in die Fenster geschaut, hinein in die beleuchtet­en Zimmer. Das Gefühl von Wärme habe ich vermisst. Jetzt bin ich hier drinnen. Ich sehe nach draußen auf den Baum, schaue durch die Äste auf den Mond und denke: was für ein Seitenwech­sel.

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