„Auf dem Platz spüre ich keinen Druck“
Der Retter über das neue Hochgefühl beim HSV
Fünf Spiele stehen in dieser Saison noch aus, fünf Punkte Rückstand müssen aufgeholt werden, um den Abstieg aus der Bundesliga zu verhindern. Der HSV braucht Retter. Gut, dass einer da ist, der sich damit auskennt: Luca Waldschmidt. Die MOPO hat ihn zum Gespräch getroffen.
MOPO: Nach 15 Spielen in Folge ohne Sieg gelang Ihnen mit dem HSV das 3:2 gegen Schalke – und Hamburg steht kopf. Nehmen Sie die Aufbruchstimmung wahr? Luca Waldschmidt: Direkt nach dem Spiel war es schon ein Wahnsinnsgefühl, endlich mal wieder gewonnen zu haben nach einer so langen Zeit. Das gibt uns Kraft, das war wichtig für den Kopf. Vor allem, weil wir ja davor schon einige Male nah dran waren. Diesmal wurden wir für eine gute Leistung auch belohnt. Aber es war nur ein Spiel. Das müssen wir in den nächsten Wochen bestätigen und weiter so auftreten.
Welche Rolle spielen die Fans für das Team?
Unser Trainer hatte vor dem Spiel gesagt, dass wir unsere Fans als zwölften Mann brauchen. Genauso sehe ich das auch. Es klingt abgedroschen, aber wenn wir auf dem Platz spüren, dass sie hinter uns stehen, macht uns das stärker. Unsere Fans haben gegen Schalke auf jeden Fall eine krasse Performance hingelegt. Es gab einen Moment direkt nach dem 2:1, da stand ich auf dem Platz, habe mich im Stadion umgeschaut und gedacht: Das ist überragend. Die Leute waren voll da, es war eine überragende Stimmung. Die Fans sind megawichtig.
Mit welchem Gefühl blicken Sie dem Spiel bei 1899 Hoffenheim entgegen?
Wir haben uns in den vergangenen Wochen unter dem neuen Trainer weiterentwickelt, spielen mit der nötigen Überzeugung und glauben an uns. Jeder weiß, dass Hoffenheim eine gute Mannschaft ist, aber wir gehen die Aufgabe mit einem positiven Gefühl an und können auch dort etwas reißen.
Schalkes Trainer Domenico Tedesco erlebte in Hamburg „die Hölle“, Leon Goretzka spürte auf dem Platz „Angst“vor dem HSV. Was lösen solche Aussagen bei Ihnen aus?
In unserer Situation ist es so, dass wir mit voller Leidenschaft, mit vollem Einsatz da sein und in jeden Zweikampf alles reinlegen müssen. Wir hatten den Plan, Schalke direkt zu zeigen, dass wir den Takt vorgeben. Das ist ganz gut aufgegangen.
Welche Rolle spielt der Kopf im Fußball?
Keine Frage, sehr viel spielt sich im Kopf ab. Wenn du auf den Platz gehst und Angst davor hast, Fehler zu ma-
chen, oder vor jeder Situation darüber nachdenkst, ob du jetzt so oder lieber anders reagieren solltest, dann ist es meist schon zu spät. Wenn du aber darauf vertraust, die richtige Entscheidung zu treffen, dann gehst du die Herausforderungen mit breiter Brust an, dann fällt auf dem Platz alles einfacher. Wenn man sagt: Wow, der Spieler hat einen Lauf, der ist im Flow, dann spielt es eine große Rolle, dass er frei im Kopf ist – und frei aufspielt. Stuttgarts Dennis Aogo verriet kürzlich, dass er als junger Spieler beim HSV die Hilfe eines Psychologen in Anspruch nahm, um die hohen Erwartungen schultern zu können. Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Ich spreche viel mit meinem Vater oder mit meinem Berater, zu denen ich immer kommen kann, wenn mich etwas belastet oder es etwas gibt, was ich mal loswerden muss. Natürlich ist es nicht immer einfach, gerade jetzt im Abstiegskampf ist es sogar sehr schwer. Aber bei mir war es eigentlich schon immer so, dass ich alles ausblende, wenn ich auf dem Platz stehe. Zum Beispiel während des Abiturs. Der Stress verschwindet, weil ich in dem Moment einfach Spaß daran habe, Fußball zu spielen. Das ist für mich eben das schönste Gefühl, da spüre ich den Druck nicht.
Christian Titz hat hart dafür gearbeitet, der Mannschaft auch wieder die nötige Lockerheit zu verschaffen. Welchen Anteil hat er am Aufschwung?
Einen großen Anteil. Er legt sowohl auf als auch neben dem Platz auf Dinge wert, die uns sehr guttun. Es ist ihm gelungen, die richtige Mischung aus Konzentration und Lockerheit zu vermitteln. Er spricht viel mit uns, daher weiß jeder, was er von ihm erwartet und woran er bei ihm ist. Dann liegt es an jedem selbst, das umzusetzen.
Sie haben den HSV in der vergangenen Saison mit Ihrem LastMinute-Treffer gegen Wolfsburg gerettet. Mal ehrlich, wie oft haben Sie sich das Tor angesehen?
Kurz danach sehr oft, da blieb mir aber auch gar nichts anderes übrig, das lief in der Zeit ja rauf und runter. Aber jetzt ist das schon eine ganze Weile her.
Auch in diesem Saisonfinale wird wieder ein HSV-Retter gesucht. Sind Sie bereit?
Es ist mir völlig egal, ob ich es bin oder ein anderer, der die Tore schießt und uns in der Liga hält.
Es ist Christian Titz gelungen, die richtige Mischung aus Konzentration und Lockerheit zu vermitteln.