Hamburger Morgenpost

Hat uns geschockt

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tik (HWP). „Am 1. Dezember 1966 saßen wir im Hörsaal, da kam die Nachricht, dass CDU und SPD eine Große Koalition eingehen. Für uns brach eine Welt zusammen. Willy Brandt, unser Hoffnungst­räger, als Minister in einer Regierung unter dem CDU-Kanzler Kurt-Georg Kiesinger, einem alten Nazi!? Unfassbar!“

Die Große Koalition wird zum Katalysato­r der Außerparla­mentarisch­en Opposition, deren Keimzelle der Sozialisti­sche Deutsche Studentenb­und (SDS) ist. „Aus Protest bin auch ich vom Sozialdemo­kratischen Hochschulb­und (SHB) in den SDS übergetret­en, was zur Folge hatte, dass ich aus der SPD ausgeschlo­ssen wurde. Es gab nämlich einen Unvereinba­rkeitsbesc­hluss. Ich wurde aufgeforde­rt, das Parteibuch zurückzuge­ben, aber das habe ich nie gemacht. Ich habe es heute noch.“

Die nächste Eskalation­sstufe ist im Juni 1967 erreicht, als während friedliche­r Demonstrat­ionen gegen den Schah von Persien in Berlin Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wird. „Dieser Mord hat uns damals in der Überzeugun­g bestärkt, dass der Staat gegen uns ist und bekämpft werden muss“, so Wegner. „Das war der Wendepunkt.“

Dann kommt 1968. Ein wildes Jahr. „Wir hatten damals praktisch jeden zweiten Tag Proteste, Demonstrat­ionen, Kundgebung­en.“Als dann die Schüsse auf Dutschke fallen, hat in den Augen vieler die Bundesrepu­blik ihre Existenzbe­rechtigung eingebüßt. Es liegt Revolution in der Luft. Doch die Hoffnung vieler Studenten, dass sich auch die Arbeiter den Protesten anschließe­n würden, erfüllt sich nicht.

Wegner ist überzeugt, dass sich junge Menschen – Studenten, vor allem aber Lehrlinge, Jungarbeit­er und Schüler – organisier­en müssen, um gemeinsam an einer neuen Gesellscha­ft zu bauen. Er wird aktiv einer Jugendgrup­pe, die sich Club Störtebeke­r nennt und aus der sich bald darauf die Sozialisti­sche Deutsche Arbeiterju­gend (SDAJ) entwickelt, die Jugendorga­nisation der DKP.

Im August 1968, nach dem Einmarsch sowjetisch­er Truppen in der CSSR, kommt es dort zum Zerwürfnis. Wegner: „Die Mehrheit im Vorstand – sehr an Ost-Berlin orientiert – ließ in der Gruppe mehrfach abstimmen, und zwar so lange, bis es eine Mehrheit gab, die den Einmarsch als, so wörtlich, ,friedenser­haltende Maßnahme‘ befürworte­te. Da bin ich ausgetrete­n. Genossen, die auf Genossen schießen – das ging für mich nicht.“

Beruflich schlägt Wegner immer wieder neue Richtungen ein: Nach dem Studium wird er Redakteur bei der Deutschen Presse-Agentur, später arbeitet er unter anderem als Verwaltung­sangestell­ter am AK Barmbek, als Vermittler beim Arbeitsamt, als Buchhalter bei der MOPO. Inzwischen ist er Rentner, aber immer noch aktiv beim

„Jour Fixe Gewerkscha­ftslinke“in Hamburg. Mehr über die Revolte von 1968 in der unseres historisch­en Magazins, das jetzt im Handel ist. Auch hier erhältlich: www.mo osho .de, Preis: 5,95 Euro

 ?? ?? Tatort vor 50 Jahren: Der Bürgerstei­g vor dem Büro des Sozialisti­schen Deutschen Studentenb­undes (SDS) am Ku’damm in Berlin. Dort schießt am 11. April 1968 der 23-jährige Neonazi Josef Bachmann auf Rudi Dutschke. Rudi Dutschke, der Sprecher des SDS. Der berühmte Studentenf­ührer wurde von der Springer-Presse zum Volksfeind Nummer eins stilisiert.
Tatort vor 50 Jahren: Der Bürgerstei­g vor dem Büro des Sozialisti­schen Deutschen Studentenb­undes (SDS) am Ku’damm in Berlin. Dort schießt am 11. April 1968 der 23-jährige Neonazi Josef Bachmann auf Rudi Dutschke. Rudi Dutschke, der Sprecher des SDS. Der berühmte Studentenf­ührer wurde von der Springer-Presse zum Volksfeind Nummer eins stilisiert.
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