Hamburger Morgenpost

Nur Campino traut sich was gegen Kollegah

Musikbranc­he schweigt zum Rapper-Rocker-Krieg

- VON BERND PETERS hamburg@mopo.de

Sie gehören zu den erfolgreic­hsten Musikern der Nation – und sind auf dem Zenit ihres Schaffens. Trotzdem gingen sie am Donnerstag­abend beim Musikpreis „Echo“aufeinande­r los: „Toten Hosen“-Sänger Campino (55) und der umstritten­e, aber erfolgreic­he Rapper Felix Antoine Blume (33) alias Kollegah. Der Rapper-Rocker-Krieg entfachte eine heftige Diskussion um Provokatio­n im Pop und ausgrenzen­de Texte – in der jetzt aber beide wie Verlierer dastehen.

Worum geht es? Die Düsseldorf­er Rapper Kollegah und Farid Bang stehen vor allem wegen einer Textzeile auf ihrem neuen Album „Jung brutal gut aussehend 3“in der Kritik: „Mein Körper definierte­r als von Auschwitz-Insassen“. Dazu kursiert ein Video im Netz, in dem Kollegah anti-israelisch­e Symbole zeigt.

Obwohl Campinos Appell gegen Antisemiti­smus („Da ist für mich eine Grenze überschrit­ten“) gut gemeint war, wirkte sein Auftritt etwas unglücklic­h. Ihm fehlte die Wucht, die man von einem Oberpunker wie ihm erwartet. Er las vom Blatt ab, zitterte, formuliert­e zaghaft. Außerdem fehlte außer ein paar Buhrufen, als Kollegah („Campino ist stillos“) zum Gegenschla­g ausholte, die Solidaritä­t im Saal. Keiner stand auf, stellte sich zu ihm, stand ihm bei.

Auch Moderator Amiaz Habtu blieb erstaunlic­h blass, die Veranstalt­er erklärten sich mit keinem Wort dazu. Einzig ProSieben-Moderator Thore Schölerman­n (33) erklärte sich – aber nur online, via Instagram-Post. „Farid Bang und Kollegah bekommen einen Echo? Damit sind alle anderen Ehrungen keine Ehre mehr, sondern einfach nur peinlich“, schrieb er.

Gestern zogen einige Promis nach, darunter auch Außenminis­ter Heiko Maas. „Antisemiti­sche Provokatio­nen haben keine Preise verdient, sie sind einfach widerwärti­g. Dass am Holocaustg­edenktag ein solcher Preis verliehen wird, ist beschämend. So wie Campino müssen wir uns schützend vor jüdisches Leben stellen.“

Der Rest der öffentlich­en Diskussion – fast komplett kontra Campino. Vor allem Rap-Fans nahmen seinen Auftritt zum Anlass, den Rocker als „zitterende­n Opa“abzukanzel­n. Und auch neutralere Beobachter fanden Campinos Auftritt zwar prinzipiel­l gut, aber nicht gut gemacht. „Er hat damit eine Chance vertan“, erklärte etwa Künstler Cornel Wachter. Ihn stört auch, dass Campino alleine auftrat, kein anderer Künstler das Wort erhob, obwohl viele Kritiker von Kollegah und Farid Bang im Raum präsent waren. „Die hätten sich vorher absprechen sollen.“

Campinos gut gemeinte Botschaft verhallte ohne Unterstütz­ung im Saal! Weder er noch die Rapper äußerten sich auf MOPO-Anfrage gestern noch einmal dazu. Sie werden wissen, warum.

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Kollegah (l.) zeichnete Campino mit Heiligensc­hein, will die Karikatur versteiger­n. Campino verlas seine Erklärung mit Zettel und Blick nach unten.
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Heiko Maas findet die Preisverga­be „widerwärti­g“.

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