„Blutrache“am Anglersee
17 Jahre nach einem Mord in Albanien wird in Deutschland der Neffe (19) des Täters umgebracht – als Motiv gilt ein alter Kodex
ULM – Mit einem Hammer schlägt ein Mann auf den Kopf eines 19-Jährigen ein. Als der Teenager tot ist, wickelt er die Leiche in Folie, befestigt eine Betonsäule daran und versenkt sie im See. Sein Motiv: Der Onkel des 19-Jährigen soll einen Mord begangen haben – vor 17 Jahren. So lauten die Vorwürfe gegen den Angeklagten vor dem Landgericht Ulm. Der 46-Jährige streitet das ab.
Warum musste der 19-Jährige sterben? Aus Blutrache, davon ist die Staatsanwaltschaft zum Prozessauftakt in Ulm (BaWü) überzeugt. Er sollte demnach für ein Verbrechen bestraft werden, das er nicht begangen hat. Das er auch gar nicht begangen haben konnte, weil er zum Tatzeitpunkt ein Kleinkind war.
Im Jahr 2000 soll ein Mann in Albanien einen Mord verübt haben. Das Einzige, was den damals Zweijährigen mit dem Verbrechen verbindet: Er ist der Neffe des Täters.
Aus diesem Grund soll der Angeklagte, ein deutscher Staatsbürger albanischer Herkunft, den jungen Mann im Mai 2017 an einen Anglersee in Erbach (BaWü) gelockt haben – um an ihm Blutrache zu üben, nach den Regeln des albanischen Rechtskodex „Kanun“.
Neun Mal schlägt der Mann mit einem Hammer auf den Schädel des Teenagers ein, so die Anklage. „Heimtückisch und aus niederen Beweggründen“habe der 46-Jährige den 19-Jährigen zusammen mit einem Komplizen umgebracht. Es sei ein gemeinschaftlich verübter Mord gewesen. Der Mittäter ist seitdem flüchtig.
Der Angeklagte präsentiert vor Gericht über seine Anwälte eine andere Version: Er sei bei der Tat nicht dabei gewesen, habe nur Plane, Gewebeband, Draht und einen Betonsturz besorgt. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass der Mittäter, den er „Don“nennt, einen Mord plane. Er habe zuerst gedacht, es ginge um ein Drogengeschäft. „Ich habe noch versucht, den Don im letzten Moment von dem Vorhaben abzuhalten“, erklärt er weiter. „Dies ist mir aber nicht gelungen.“Den Hammer, mit dem der junge Mann totgeschlagen wurde, habe er nicht beschafft.
Vier Wochen nach der Tat tauchte der tote Körper vom Grund des Sees wieder auf – und brachte so auch das Verbrechen an die Oberfläche.
Mit einem Urteil wird erst im Januar 2019 gerechnet.