Grausame Gewissheit
VERMISSTER LIAM COLGAN Nach zwei Monaten und einer beispiellosen Suchaktion entdeckten Passanten die Leiche des Schotten in der Elbe vor der HafenCity. Jetzt soll eine Autopsie die genaue Todesursache klären
Sie waren nach Hamburg gekommen, um es richtig krachenzulassen – typisch Junggesellenabschied eben. Der Schotte Liam Colgan (✝ 29) hatte die Feier für seinen Bruder Eamonn (33) organisiert. Doch in dieser nasskalten Nacht auf den 10. Februar verschwand Liam. Seine Spur führte zunächst ins Portugiesenviertel, dann nach Buxtehude. Es folgte eine in Hamburg nie da gewesene Suchaktion. Seit gestern steht nun fest: Liam ist tot. Seine Leiche wurde im Hafen entdeckt.
In den vergangenen Wochen hatten sich kaum noch Menschen bei der Polizei gemeldet, die mögliche Hinweise auf den Verbleib des 29-Jährigen geben konnten. Trotzdem behielten Bruder Eamonn und die Familie die Hoffnung, Liam noch lebend zu finden. „Wir geben erst auf, wenn wirklich klar ist, dass Liam nicht mehr lebt“, sagte Eamonn noch vor zwei Wochen gegenüber der MOPO. Eigentlich hatte der 33-Jährige im März heiraten wollen – doch Eamonn und seine Verlobte Susan haben die Hochzeit verschoben. „Unser Wunsch und unsere Hoffnung ist, dass Liam dabei sein wird“, erklärte er. Seit gestern Morgen nun hat die Familie die grausame Gewissheit: Liam lebt nicht mehr.
Passanten entdeckten die Leiche gegen 6.30 Uhr im Hafenbecken an der Osakaallee (HafenCity). Feuerwehrkräfte bargen den Leichnam aus dem Wasser, brachten ihn in die Rechtsmedizin. Noch bevor die Polizei die Identität des Toten offiziell bestätigte, wandte sich der „Lucie Blackman Trust“ (LBT) am Vormittag an die Öffentlichkeit: In der Jacke des Leichnams sei der Führerschein des 29-Jährigen gefunden worden.
Der Fund der Leiche bedeutet auch das Ende einer in Hamburg bislang einmaligen Suchaktion: Neben dem LBT, der weltweit die Suche nach vermissten Briten unterstützt, beteiligten sich daran auch zahlreiche Hamburger. Tagelang durchkämmten sie die Stadt auf der Suche nach
Liam. Dessen Spur führte sie vom Portugiesenviertel nach Buxtehude, wo ihn Zeugen gesehen haben wollten.
Tag für Tag fanden sich Suchtrupps zusammen, die durch die Speicherstadt, St. Pauli und den Hafen gingen und die halbe Stadt mit Suchplakaten tapezierten. Auch die Post beteiligte sich, verteilte 300 000 Flugblätter an Hamburgs Haushalte.
Kameraaufnahmen vom „Gruner+Jahr“-Gebäude sind das letzte gesicherte Lebenszeichen von Liam. Sie zeigen, wie er volltrunken über Treppen stürzt. Nachdem ihm ein Zeuge aufgeholfen hat, taumelt er davon.
Die Obduktion und die Bestätigung seiner Identität durch die Polizei standen gestern noch aus, auch die Ursache für Liams Tod ist bisher nicht geklärt.
Sollte Liam direkt nach seinem Verschwinden in die Elbe gestürzt sein, lässt sich das späte Auffinden der Leiche jetzt unter anderem mit den gestiegenen Temperaturen erklären: Im kalten Wasser bilden sich die auftreibenden Gase im Körper langsamer.