UKE-Forscher retten kleine Klara
Medizinischer Durchbruch bei Kinderdemenz: Sechsjähriger drohte der sichere Tod – jetzt kommt sie in die Schule
Mit Stolpern fing alles an: Als Klara Pauline Brenner dreieinhalb Jahre alt war, konnte sie plötzlich nicht mehr gut laufen. Erste Anzeichen einer schweren Erkrankung: Kinderdemenz. Bis vor Kurzem bedeutete die Diagnose den sicheren Tod. Doch nun gibt es Hoffnung für Klara: Am UKE wurde weltweit erstmalig eine Therapie gegen die tödliche Krankheit entwickelt.
Das Tückische an der Neuronalen Ceroid Lipofuszinose (CLN2), wie die Kinderdemenz im Fachjargon heißt, ist, dass sie nicht nur extrem selten ist, sondern auch, dass sie lange unbemerkt bleibt. „Klara hat sich ganz normal entwickelt“, erzählt ihre Mutter Kathrin Brenner (37).
Umso größer der Schock, als die Diagnose feststand. „Zuerst wurde Klara wegen Epilepsie behandelt“, sagt Brenner. Doch es sei ein Jahr lang nicht gelungen, die Medikamente richtig einzustellen. Weitere Untersuchungen ergaben dann, dass Klara das Enzym TPP1 fehlt. Folge: In den Gehirnzellen lagert sich eine wachsartige Masse ab, wodurch die Zellen absterben.
„Wir wurden ins Krankenhaus gerufen, wo uns die Nachricht über- bracht wurde“, erinnert sich Kathrin Brenner. „Es war traumatisch.“In der Folge baute Klara immer weiter ab. Heute kann sie nicht mehr alleine laufen. Sie braucht Hilfe beim Essen und beim Toilettengang. Sprechen kann sie nur noch in Kurzsätzen oder einzelnen Wörtern.
Aber: Sie lebt! Und wenn alles gut geht, wird sich ihr Zustand nicht weiter verschlechtern. Denn Klara wurde in eine internationale Studie für 24 CLN2-Patienten zwischen drei und acht Jahren am UKE aufgenommen. Seit zwei Jahren kommt sie alle 14 Tage in die Klinik, wo ihr das fehlende Enzym ins Gehirn injiziert wird.
Mithilfe eines Punktesystems werden Motorik und Sprache der Kinder genau beobachtet. Das Ergebnis ist bahnbrechend: Unbehandelte Patienten verlieren 2,0 Punkte pro Jahr. Behandelte Kinder im Durchschnitt 0,38 Punkte. Bei Klara konnte der Abbau sogar ganz gestoppt werden.
„Es ist eine Sternstunde der Kinderheilkunde“, sagt Prof. Ania C. Muntau, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin des UKE. Die Studie beweise, dass es sich lohne, die Erforschung seltener Erkrankungen finanziell zu fördern. Schließlich würden dabei Konzepte entdeckt, die sich auch auf andere Krankheiten übertragen ließen. Studienleiterin Angela Schulz ergänzt: „Je früher CLN2 diagnostiziert wird, umso höher die Chance für eine erfolgreiche Therapie.“
So habe eines der CLN2Kinder eine ebenfalls betroffene Schwester. Das vier Monate alte Baby würde nun auch mit der Enzymersatztherapie behandelt, in der Hoffnung, dass es nie Symptome entwickelt. Schulz: „Unser Ziel ist es, dass alle Kinder in Deutschland eines Tages beim Neugeborenenscreening auf CLN2 getestet werden.“
Zwar wird Klara nie wieder ganz gesund werden. Was im Gehirn zerstört ist, ist zerstört. Doch möglicherweise hat sie noch ein langes Leben vor sich. Im Herbst wird die Sechsjährige in die Schule kommen. Sie wünscht sich eine Schultüte mit „Bibi & Tina“-Motiv. Kathrin Brenner: „Es ist ein Wunder.“