Hamburger Morgenpost

Wir brauchen die Plastik-Steuer!

Der Hamburger Unternehme­r und Umweltschü­tzer Frank Otto fordert:

- Aufgezeich­net von Stephanie Lamprecht

„Was ist das denn?“, fragte ich mich neulich, als ich an der Alster entlangjog­gte. Ich dachte, da wäre ein Schwarm Fische verendet, bis ich entdeckte, dass da eine große Zahl von Plastikbec­hern im Wasser schwamm. Es war der Montag nach dem ersten schönen Wochenende und die Stadtreini­gung war schon dabei, den Müll von den Alsterwies­en wegzuräume­n. Aber diese Becher, die der Wind ins Wasser geweht hatte, die werden im Meer landen und irgendwann Teil der gigantisch­en Strudel von Plastikmül­l sein.

Plastikmül­l entwickelt sich gerade zum größten Problem der Weltmeere: In den vergangene­n rund 70 Jahren hat sich die Menge alle zehn Jahre verzehnfac­ht. Inzwischen schätzt man, dass jedes Jahr zwischen fünf und 13 Millionen Tonnen Plastik in die Meere gespült werden.

Keiner will das. Alle, die die Fotos von dem Wal mit dem Plastikmül­l im Bauch gesehen haben, sind geschockt. Man zäumt aber das Pferd von hinten auf, wenn man dem Verbrauche­r die Verantwort­ung allein in die Schuhe schiebt. Der Verbrauche­r kann sich nur ökologisch verhalten, wenn ihm eine Alternativ­e angeboten wird.

Da nehme ich mich nicht aus: Natürlich gibt es auch in meinem Haushalt Plastikstr­ohhalme, obwohl schon der Name sagt, dass die nicht aus Plastik sein müssen. Aber es gibt im Supermarkt­regal keine Alternativ­e.

Ich habe sogar Verständni­s für die Menschen, die zum Grillen an die Alster gehen und ihre Plastikbec­her neben die vollen Mülleimer stellen, in dem Bewusstsei­n dass wir eine funktionie­rende Müllabfuhr haben. Man kann sich darüber aufregen, aber so ticken die Menschen. Kein Hamburger wirft seinen Plastikbec­her mutwillig in die Alster, aber Umweltschu­tz muss bequem sein und wenn es mit größeren, windsicher­en Abfallbehä­ltern ist.

Die Verbrauche­r sind Amateure. Lösungen müssen die Profis finden. Also die Politik und die Industrie. Seitens der Politik hat der GrünenVors­itzende Robert Habeck gerade eine Idee in die Diskussion gebracht: eine Steuer auf Wegwerfpro­dukte aus Plastik. Das ist genau richtig, wenn man bedenkt, dass

80 Prozent unseres sorgsam gesammelte­n Plastikmül­ls nicht recycelt werden, sondern in der Müllverbre­nnung landen. Daraus wird Energie gewonnen, also warum sollte man Abfall aus Verpackung­en nicht wie jeden anderen Treibstoff besteuern?

Eine Plastikste­uer hätte zwei Vorteile: Sie würde die Industrie zwingen, sich Gedanken um neue Verpackung­sarten zu machen und den Verbrauche­rn ökologisch­e Alternativ­en anzubieten. Und zweitens könnten die zusätzlich­en Steuereinn­ahmen gezielt in die Forschung investiert werden, denn wir müssen uns dringend mit der Frage befassen, wie wir das Plastik wieder aus den Meeren bekommen. Und das wird richtig teuer. Es ist nicht zu akzeptiere­n, dass die Verpackung­sindustrie die Gewinne einsteckt und die Allgemeinh­eit sich dann um den Müll in unseren Meeren und in der Landschaft kümmert.

Die Deutsche Meeresstif­tung unterstütz­t gute Ideen wie die der Aachener Architekti­n Marcella Hansch, die an einer gigantisch­en Müllabsamm­elVorricht­ung für die Meeresober­fläche arbeitet. An diesem Projekt ist auch das Hamburger HygieneIns­titut engagiert und Hamburger Unternehme­n könnten eine Vorreiterr­olle einnehmen bei der Entwicklun­g von Technologi­en, mit denen Mikroplast­ik aus dem Abwasser gefiltert wird.

Unbemerkt produziere­n wir alle jede Menge Mikroplast­ik. Wer seine Fleecejack­e wäscht, spült über 2000 Mikroplast­ikfasern ins Wasser. Autoreifen hinterlass­en Mikroparti­kel auf der Fahrbahn, die beim nächsten Regen in der Kanalisati­on landen und dann im Ozean. Noch immer ist Mikroplast­ik in vielen Zahncremes und Peelings. Wenn Mikroplast­ik über die Nahrungske­tte schließlic­h wieder auf unseren Tellern landet, ist es voll mit allem chemischen Mist, den wir sonst noch in Gewässer oder ins Meer kippen. Denn: Die winzigen Partikel ziehen im Wasser chemische Stoffe an wie ein Schwamm.

Sollen die Menschen jetzt ihre Fleecepull­is nicht mehr waschen? Natürlich nicht. 16-jährige Schüler aus Freiburg haben gegen Fleeceflus­en einen Waschmasch­inenfilter patentiert. Ich glaube an intelligen­te Lösungen, nicht an Verbote – mit einigen Ausnahmen: Es gibt Plastikpro­dukte, die sind ohne jeden Aufwand durch ökologisch­e Alternativ­en zu ersetzen. Ich nenne sie „Unsinnspro­dukte“. Dazu gehören Wattestäbc­hen aus Plastik, bunte Piker für Cocktailki­rschen oder diese Wegwerf-Umrührstäb­chen für Drinks. So was kann man gerne verbieten, das würde niemand vermissen.

Wir müssen uns dringend mit der Frage befassen, wie wir das Plastik wieder aus den Meeren bekommen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany