Wir brauchen die Plastik-Steuer!
Der Hamburger Unternehmer und Umweltschützer Frank Otto fordert:
„Was ist das denn?“, fragte ich mich neulich, als ich an der Alster entlangjoggte. Ich dachte, da wäre ein Schwarm Fische verendet, bis ich entdeckte, dass da eine große Zahl von Plastikbechern im Wasser schwamm. Es war der Montag nach dem ersten schönen Wochenende und die Stadtreinigung war schon dabei, den Müll von den Alsterwiesen wegzuräumen. Aber diese Becher, die der Wind ins Wasser geweht hatte, die werden im Meer landen und irgendwann Teil der gigantischen Strudel von Plastikmüll sein.
Plastikmüll entwickelt sich gerade zum größten Problem der Weltmeere: In den vergangenen rund 70 Jahren hat sich die Menge alle zehn Jahre verzehnfacht. Inzwischen schätzt man, dass jedes Jahr zwischen fünf und 13 Millionen Tonnen Plastik in die Meere gespült werden.
Keiner will das. Alle, die die Fotos von dem Wal mit dem Plastikmüll im Bauch gesehen haben, sind geschockt. Man zäumt aber das Pferd von hinten auf, wenn man dem Verbraucher die Verantwortung allein in die Schuhe schiebt. Der Verbraucher kann sich nur ökologisch verhalten, wenn ihm eine Alternative angeboten wird.
Da nehme ich mich nicht aus: Natürlich gibt es auch in meinem Haushalt Plastikstrohhalme, obwohl schon der Name sagt, dass die nicht aus Plastik sein müssen. Aber es gibt im Supermarktregal keine Alternative.
Ich habe sogar Verständnis für die Menschen, die zum Grillen an die Alster gehen und ihre Plastikbecher neben die vollen Mülleimer stellen, in dem Bewusstsein dass wir eine funktionierende Müllabfuhr haben. Man kann sich darüber aufregen, aber so ticken die Menschen. Kein Hamburger wirft seinen Plastikbecher mutwillig in die Alster, aber Umweltschutz muss bequem sein und wenn es mit größeren, windsicheren Abfallbehältern ist.
Die Verbraucher sind Amateure. Lösungen müssen die Profis finden. Also die Politik und die Industrie. Seitens der Politik hat der GrünenVorsitzende Robert Habeck gerade eine Idee in die Diskussion gebracht: eine Steuer auf Wegwerfprodukte aus Plastik. Das ist genau richtig, wenn man bedenkt, dass
80 Prozent unseres sorgsam gesammelten Plastikmülls nicht recycelt werden, sondern in der Müllverbrennung landen. Daraus wird Energie gewonnen, also warum sollte man Abfall aus Verpackungen nicht wie jeden anderen Treibstoff besteuern?
Eine Plastiksteuer hätte zwei Vorteile: Sie würde die Industrie zwingen, sich Gedanken um neue Verpackungsarten zu machen und den Verbrauchern ökologische Alternativen anzubieten. Und zweitens könnten die zusätzlichen Steuereinnahmen gezielt in die Forschung investiert werden, denn wir müssen uns dringend mit der Frage befassen, wie wir das Plastik wieder aus den Meeren bekommen. Und das wird richtig teuer. Es ist nicht zu akzeptieren, dass die Verpackungsindustrie die Gewinne einsteckt und die Allgemeinheit sich dann um den Müll in unseren Meeren und in der Landschaft kümmert.
Die Deutsche Meeresstiftung unterstützt gute Ideen wie die der Aachener Architektin Marcella Hansch, die an einer gigantischen MüllabsammelVorrichtung für die Meeresoberfläche arbeitet. An diesem Projekt ist auch das Hamburger HygieneInstitut engagiert und Hamburger Unternehmen könnten eine Vorreiterrolle einnehmen bei der Entwicklung von Technologien, mit denen Mikroplastik aus dem Abwasser gefiltert wird.
Unbemerkt produzieren wir alle jede Menge Mikroplastik. Wer seine Fleecejacke wäscht, spült über 2000 Mikroplastikfasern ins Wasser. Autoreifen hinterlassen Mikropartikel auf der Fahrbahn, die beim nächsten Regen in der Kanalisation landen und dann im Ozean. Noch immer ist Mikroplastik in vielen Zahncremes und Peelings. Wenn Mikroplastik über die Nahrungskette schließlich wieder auf unseren Tellern landet, ist es voll mit allem chemischen Mist, den wir sonst noch in Gewässer oder ins Meer kippen. Denn: Die winzigen Partikel ziehen im Wasser chemische Stoffe an wie ein Schwamm.
Sollen die Menschen jetzt ihre Fleecepullis nicht mehr waschen? Natürlich nicht. 16-jährige Schüler aus Freiburg haben gegen Fleeceflusen einen Waschmaschinenfilter patentiert. Ich glaube an intelligente Lösungen, nicht an Verbote – mit einigen Ausnahmen: Es gibt Plastikprodukte, die sind ohne jeden Aufwand durch ökologische Alternativen zu ersetzen. Ich nenne sie „Unsinnsprodukte“. Dazu gehören Wattestäbchen aus Plastik, bunte Piker für Cocktailkirschen oder diese Wegwerf-Umrührstäbchen für Drinks. So was kann man gerne verbieten, das würde niemand vermissen.
Wir müssen uns dringend mit der Frage befassen, wie wir das Plastik wieder aus den Meeren bekommen.