Hier wüteten Hamburgs Nazi-Schlächter
Heute gedenkt Hamburg des Kriegsendes vor 73 Jahren und der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten
Heute vor 73 Jahren marschierten britische Truppen in Hamburg ein. Die Stadt kapitulierte, es f el kein Schuss. Daran und an die Befreiung der Konzentrationslager durch alliierte Soldaten wird heute Nachmittag in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erinnert. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit spricht vor Überlebenden des KZ, die unter anderem aus Weißrussland und Italien, aus Israel und Holland, aus Tschechien und der Ukraine angereist sind.
Jeder kennt die furchtbaren Fotos, die britische, russische und amerikanische Soldaten machten, als sie 1945 in Auschwitz, Dachau oder Bergen-Belsen ankamen: bis auf die Knochen abgemagerte Halbtote. Zigtausende Leichen. Und Berge von Haaren der Ermordeten … Aus Neuengamme gibt es solche Bilder nicht, denn als die Briten am Tag nach ihrem Einmarsch in Hamburg das Tor zum Lager aufstießen, fanden sie ein riesiges Areal mit etlichen Baracken vor, menschenleer. Die SS hatte alle Spuren verwischt – ihre Untaten kamen später aber doch ans Licht.
Mit mehr als 100 000 Häftlingen war das KZ Neuengamme einschließlich der 86 Außenlager das größte in Nordwestdeutschland. Gegründet wurde es 1938 nahe einer stillgelegten Ziegelei, die die SS wieder reaktivieren wollte. Hamburg benötigte jede Menge Klinkersteine für den Bau gigantischer sogenannter „Führerbauten“am Elbufer – und die SS versprach zu liefern: „erstklassige Klinkerware“, hergestellt von den „sehr zahlreichen Nichtstuern in unseren Konzentrationslagern“.
Aber nicht nur in der Herstellung von Baumaterial, vor allem in der Rüstungsproduktion und bei der Trümmerräumung in der Innenstadt wurden Häftlinge eingesetzt. Die Arbeitsbedingungen: unmenschlich. Wer nicht schnell genug war, wurde geschlagen, bis er umfiel. Etwa 50000 Häftlinge überlebten den Nazi-Terror nicht. Sie starben an Unterernährung, Entkräftung oder wurden brutal ermordet. Viele wählten aus Verzweiflung auch den Freitod: Dazu überquerten sie die Postenkette und ließen sich erschießen oder berührten den elektrisch geladenen Draht der Lagerumzäunung.
Deutsche Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten und Homosexuelle waren zwar auch unter den Häftlingen, 90 Prozent der Gefangenen kamen jedoch aus dem
Ausland: Viele Polen und Bürger aus der Sowjetunion, Menschen aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Dänemark, die sich beispielsweise der deutschen Besatzung widersetzt hatten.
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs begann die SS, das Lager zu räumen. Viele Gefangenen wurden auf Todesmärsche geschickt, Das Ziel: sogenannte „Auffanglager“wie Sandbostel oder Bergen-Belsen, wo die Menschen ohne Nahrung und medizinische Versorgung sich selbst überlassen blieben und vielfach die Befreiung nicht erlebten.
Andere Häftlinge wurden schon in Hamburg ermordet: wie die 20 Kinder, die die SS am 20. April 1945 im Keller der Schule am Bullenhuser Damm erhängte. So sollte vertuscht werden, dass mit den Kindern medizinische Versuche gemacht worden waren.
Ebenfalls furchtbar: das Schicksal der Häftlinge, die von der SS auf den KZ-Schiffen „Thielbek“und „Cap Arcona“eingesperrt worden waren. In der Neustädter Bucht kam es am 3. Mai 1945 zur Katastrophe. In der Annahme, es handele sich um Truppentransporte, versenkten britische Flugzeuge die Schiffe. 7000 KZ-Häftlinge starben.
Die Hauptverantwortlichen für die Verbrechen im KZ, darunter Lagerkommandant Max Pauly, mussten sich 1946 im Hamburger Curiohaus-Prozess vor einem britischen Militärgericht verantworten. Er und einige seiner Mittäter wurden zum Tode verurteilt und gehängt.
Wir dürfen niemals vergessen, welche Verbrechen in deutschem Namen begangen wurden.
Carola Veit (SPD)