Hamburger Morgenpost

Kein Glanz und Gloria

Nur die Bayern halten in Europa die deutsche Fahne hoch – zu wenig!

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2010 gelang es einer Bundesliga-Mannschaft zum letzten Mal, ein Halbfinale im damaligen UEFA-Cup, heute Europa League, zu erreichen. Man mag es ja kaum glauben oder ausspreche­n, es war der HSV. Ein Jahr zuvor spielten mit den Hamburgern und Werder Bremen gleich zwei Teams im direkten Duell um den Einzug ins Finale desselben Wettbewerb­s. Der Ausgang ist vielen Fans in unserer Stadt noch schmerzhaf­t in Erinnerung.

Uns Norddeutsc­he könnte das angesichts dieser glorreiche­n Zeiten die Tränen in die Augen treiben. Mittlerwei­le sind aber nicht nur wir von solchen Erfolgen meilenweit entfernt. In der Europa League reichte es seitdem für die Klubs aus dem Land des Weltmeiste­rs nicht mal mehr für „Hochkaräte­r“wie Salzburg, Östersund, Braga oder Rasgard. Nichts zu gewinnen im „Cup der Verlierer“, wie es Franz Beckenbaue­r einst ausdrückte. Wollen wir oder können wir nicht? Einer der Hauptgründ­e ist sicherlich, dass seit Jahren den qualifizie­rten Vereinen einige Topspieler weggekauft wurden. Das galt zumindest für Köln, Mainz, Freiburg und Hoffenheim. Angesichts der derzeitige­n Qualität in der Bundesliga sehe ich auch kaum Besserung.

Für wenig Glanz sorgen wir seit dem Finale von Wembley 2013 zwischen München und Dortmund auch in der Champions League. Einzige Ausnahme sind die Bayern. In der Bundesliga sechs Mal in Folge Meister, weit und breit konkurrenz­los, finden sie adäquate Gegner nur in der Königsklas­se. Vielleicht auch eine der Ursachen für das bittere Ausscheide­n gegen Real. Sie werden einfach in der Liga zu wenig ernsthaft gefordert. Und dennoch: Wie stünden wir ohne den Rekordmeis­ter in Europa da?! Irgendetwa­s zwischen „grauer Maus“und „Bedeutungs­losigkeit“?

Die Wurzel des Übels dürfte in der Verteilung der TV-Gelder, der horrenden Ablösesumm­en, der Investitio­nen von Scheichs und ganzen Staaten wie Katar, aber auch natürlich in der wirtschaft­lichen Führungsko­mpetenz der Klubs liegen. Der FC Bayern ist da seit fast Jahrzehnte­n uneinholba­r entrückt. Wer bitteschön soll da in nächster Zeit herankomme­n? Im Gegenteil. Passiert nichts, wird die Schere immer weiter auseinande­r gehen – zwischen den Bayern und dem Rest, wie auch in Europa zwischen den „Chancenlos­en“und den absoluten Top-Klubs in Spanien, England, Italien und Frankreich.

Was bleibt ist der famose Auftritt der Münchner gegen Real Madrid. Sie waren die bessere Mannschaft und brachten Ronaldo und Co. an den Rand der Niederlage – und leider auch durch individuel­le Patzer Jupp Heynckes um das erhoffte Abschieds-Triple. Ein menschlich wie auch fachlich großer Trainer verlässt die Fußballbüh­ne. Wohin geht die Reise ohne ihn? Wird Niko Kovac in der Lage sein, für Glanz und Gloria zu sorgen? Eine kleine Zeitenwend­e für den Rekordmeis­ter. Gloria wird auf absehbare Zeit für uns Hamburger Fußballfan­s kaum drin sein. Von Titeln und Europa wagen wir nicht mal in unseren kühnsten Vorstellun­gen zu träumen. Aber vielleicht sorgen unsere Vereine HSV und St. Pauli ja noch für etwas schlichten Glanz – und steigen nicht ab.

 ??  ?? Rollo Fuhrmann war 25 Jahre lang der kultigste Fußball-Reporter bei Premiere und Sky. Mehr als 7000 Interviews führte der 68-Jährige, der schon mit 16 Jahren als DJ durchstart­ete, später als Lehrer Deutsch und Geographie unterricht­ete und Sketche für...
Rollo Fuhrmann war 25 Jahre lang der kultigste Fußball-Reporter bei Premiere und Sky. Mehr als 7000 Interviews führte der 68-Jährige, der schon mit 16 Jahren als DJ durchstart­ete, später als Lehrer Deutsch und Geographie unterricht­ete und Sketche für...

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