Gehirn lebt außerhalb des Körpers weiter
Wissenschaftlern gelingt Test mit Schweine-Organ. Theoretisch wäre die Methode auch beim Menschen anwendbar
NEW HAVEN - Bisher galt das lebendige Gehirn, das in einem Glas oder einer Kühlkammer weiterlebt, als Science-Fiction. Zumindest im Labor hat sich das nun geändert. Wie die Zeitschrift „MIT Technology Review“berichtet, schaffte es der amerikanische Neurowissenschaftler Nedan Sestan von der renommierten YaleUniversität, Schweine-Hirne 36 Stunden lang außerhalb des Körpers am Leben zu halten.
Seinem Team sei es gelungen, die beim Schlachthof erworbenen Hirne mit einem System aus Pumpen, künstlichem Blut und einer Heizung arbeiten zu lassen. So konnte der Stoffwechsel im Gehirn, der nach dem Tod der Schweine ausgesetzt hatte, wieder in Gang gebracht werden und auch die sogenannte Mikrozirkulation, bei der Sauerstoff durch die kleinsten Blutgefäße zu den Zellen transportiert wird, konnte durch die Forscher wiederhergestellt werden.
Das Bewusstsein, so heißt es aber, habe aber keines der Gehirne zurückerlangt. Eine EEG-Untersuchung zeigte eine flache Linie, wie sie bei Koma-Patienten vorkommt. Grundsätzlich hält Sestan es aber für möglich, Gehirne auch im Wachzustand zu erhalten. „Theoretisch sei es möglich, die Hirnaktivität einer Person wiederherzustellen“, sagt er. „Wäre es nicht verrückt, wenn auch Erinnerungen reaktiviert werden könnten?“
Dass Sestan von Personen spricht, kommt indes nicht von ungefähr. Das Verfahren sei, so sagt es der Forscher, nicht „schweinespezifisch“. Genauso sei es denkbar, das Prinzip auch auf andere Tiere, also auch auf Primaten und sogar den Menschen anzuwenden. Chirurgen hätten daher schon angefragt, ob diese Methode nicht auch medizinisch nutzbar sei, etwa für bestimmte Krebsoder Alzheimertherapien. Die Ärzte würden lieber an körperlosen Gehirnen testen, bevor sie direkt an die Patienten gehen.
Doch ist es ethisch und rechtlich vertretbar, nur weil es technisch möglich sein könnte, ein menschliches Gehirn außerhalb des Körpers am Leben und möglicherweise sogar bei Bewusstsein zu halten? Diese Frage ist längst nicht geklärt. Die Yale-Forschungen werfen sie überhaupt erst auf. „Wir sollten unbedingt Richtlinien für den Umgang mit menschlichem Gewebe haben“, sagt Sestans Kollege Steven Hyman von der Harvard-Universität.
Wer aber nun denkt, sein eigenes Leben durch die Verpflanzung seines Gehirns auf einen anderen Körper verlängern zu können, wird wohl enttäuscht werden. Das sei zurzeit nicht im Entferntesten möglich, sagt Hyman.