Hamburger Morgenpost

Auf den Straßen von Hamburg

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Ich finde, dass kein Erwachsene­r seine Hand gegen ein Kind erheben darf ! Dafür sind wir Erwachsene den Kindern doch viel zu überlegen. Wir haben so viele Mittel zur Verfügung, um nicht auf die einfachste Methode zurückzugr­eifen und unseren Kräftevort­eil auszunutze­n.

Genau das bedeutet es für mich, jemanden zu missbrauch­en.

Ich versuche schon seit sehr langer Zeit, mir meine frühesten Erinnerung­en ins Gedächtnis zu rufen. Je weiter ich in meiner Geschichte zurückgehe, desto mehr Bilder tauchen in meinem Kopf auf. Ich werde übers Knie gelegt. Ich kriege auf den Arsch.

Ich kann mich im Detail an den schwarzen Ledergürte­l mit der silbernen Adlerschna­lle erinnern. Und an den Teppichklo­pfer mit den verschnörk­elten Mustern. Sie sind genauso allgegenwä­rtig wie die Perlenohrr­inge meiner Großmutter oder der Filzhut, den mein Opa immer trug. Meine Oma und mein Opa schlugen mich nie, sie waren immer gut zu mir. Was sonst geschah, werde ich nie vergessen.

Wie auch dieser Journalist machen viele Menschen einen Unterschie­d, wenn es „nur“darum geht, den „Po zu versohlen“. Für mich hat es keinen Unterschie­d gemacht.

Ich kann mich nicht mehr an den Schmerz erinnern. Die Schläge konnte ich ertragen. Ich habe einfach an meine Oma gedacht und daran, was wir beim nächsten Mal Schönes erleben werden.

Was sich in mein Gedächtnis eingebrann­t hat, sind die Momente, in denen ich die Hose runterlass­en und mich bücken musste. Das Warten auf den ersten Schlag war qualvoll. Kinder sind ausgeliefe­rt, sie können sich nicht wehren. In jedem Kind zerbricht etwas, wenn es Gewalt erfährt. Es macht keinen Unterschie­d, ob mir meine Mutter den Hintern versohlte oder mich mein Stiefvater verprügelt­e. Es sind die gleichen Abläufe. Schlimm war es auch, wenn es Schläge gab, ganz ohne Grund. Ganz plötzlich, einfach so.

Ich habe ins Bett gemacht, nur aus Angst davor, dass mein Stiefvater in der Nacht in mein Zimmer kommen könnte. Es waren nicht die Prügel, vor denen ich mich fürchtete. Es war das Knarren der Dielen, wenn er in mein Zimmer auf dem Dachboden gekommen ist. Was vor den Schlägen passierte, hat mich genauso kaputt gemacht wie das, was danach geschah. Dass ich liegen gelassen wurde. Ich habe mich so einsam gefühlt. Meine Mutter hat es verdrängt oder selber ausgeholt.

Vor meinem kleinen Bruder wollte ich stark sein, und so blieb ich damit alleine.

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