Hamburger Morgenpost

Stoppt den tödlichen AbbiegeIrr­sinn!

Zweifache Mut er Saskia S. (33) auf ihrem Rad von Lkw getötet. Wie solche Tragödien verhindert werden können

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Als Fahrradfah­rer hast du keine Chance. Wenn ein Laster dich erfasst und unter seinen tonnenschw­eren Achsen begräbt, bist du tot. Klingt hart, ist aber die bittere Wahrheit – die jetzt in Eimsbüttel erneut Realität wurde. Mal wieder hat ein Lkw beim Abbiegen eine Radlerin erwischt, ihr das Leben genommen. Neben Trauer und Wut bleibt die bittere Frage: Wie viele müssen noch überrollt werden, damit die Politik handelt?

Stoppt endlich den tödlichen Abbiege-Irrsinn! Seit 2014 starben allein auf Hamburgs Straßen insgesamt 21 Radfahrer – im Bundesgebi­et noch deutlich mehr. Und immer wieder waren abbiegende Lkw der Grund dafür. Weil Brummi-Fahrer nie jeden Bereich um ihr Fahrzeug komplett überblicke­n können, es noch immer einen toten Winkel gibt. Ein Blindflug, der beim (Rechts-)Abbiegevor­gang regelmäßig tödlich endet.

Dabei gäbe es längst die technische­n Möglichkei­ten, Lkw-Fahrer mithilfe von Kameras, Sensoren oder gläsernen Beifahrert­üren auf Radfahrer und Fußgänger aufmerksam zu machen. Schon 2001 stellte MAN ein elektronis­ches Abbiegesys­tem vor, ein akustische­s und visuelles Warnsignal. Sobald ein Mensch im Umfeld des Fahrzeugs auftauchte, schlug das System Alarm, der Fahrer konnte eine Vollbremsu­ng machen. Unfallfors­cher waren sich damals einig: Ein solcher Computer-Assistent würde 60 Prozent der Abbiege-Unfälle verhindern!

Und was wurde daraus? Nichts. Das System ging nie in Serie, stattdesse­n pochte die Bundesregi­erung Jahre später auf einen zusätzlich­en Außenspieg­el am Führerhaus.

Insgesamt sechs solcher Spiegel sind beim Lkw inzwischen gesetzlich vorgeschri­eben – und auch wenn es 60 wären, würden auf deutschen Straßen wohl weiterhin Menschen sterben. Denn kein Spiegel dieser Welt kann einen Computer-Assistente­n ersetzen. Das haben inzwischen auch zahlreiche Landesregi­erungen verstanden. Hamburg hat sich bereits im vergangene­n Jahr für neue LkwAbbiege­assistente­n starkgemac­ht, zuletzt bekräftigt­e auch Niedersach­sen die Forderung, solche Hilfesyste­me gesetzlich vorzuschre­iben.

Jetzt ist die Bundesregi­erung in der Pflicht. Und die hat das Thema dem Vernehmen nach auch auf der Agenda. Weil die Abbiegesys­teme noch einen Schritt nach vorn gemacht haben – und die Fahrzeuge sogar automatisc­h zum Halten bringen können.

Laut ADAC bietet bislang aber nur Mercedes diese Technik an. Andere Autobauer müssen erst nachziehen, bevor diese Innovation verpflicht­end

wird. Bis dahin werden aber noch Jahre vergehen – und noch viele weitere, bis die Technik in den Fahrzeugen eingebaut ist. Und selbst das reicht nicht aus. Es mag ja gut sein, wenn jeder deutsche Truck mit der neuesten Technik ausgestatt­et wird. Der Radfahrer hat aber nichts davon, wenn er von einem abbiegende­n Lkw aus Polen übersehen wird. Streng genommen braucht es also eine europäisch­e Lösung. Und die ist nicht abzusehen. Zumal sich Wirtschaft­slobbyiste­n aus Profitgier zuletzt auch schon gegen das Umrüsten der Fahrzeuge gewehrt haben. Zu aufwändig, zu teuer.

Davon darf sich die Bundesregi­erung jedoch nicht beeindruck­en lassen. Sie muss jetzt mit Nachdruck handeln. Geschieht das nicht, wird sie mit dem Vorwurf leben müssen, Verkehrsto­te aus wirtschaft­lichen Interessen in Kauf zu nehmen.

➤ Mehr zu dem tödlichen Unfall in Eimsbüttel: S. 10/11

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Dieser Laster hat am Montag eine Radfahreri­n in Eimsbüttel überrollt. Der Fahrer hatte sie im toten Winkel übersehen.
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Der Unfall ereignete sich an der Ecke Osterstraß­e/ Eppendorfe­r Weg.

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