Hamburger Morgenpost

Dobrindt – das Rumpelstil­zchen der GroKo

Kritik an „Anti-Abschiebe-Industrie“löste helle Empörung aus. Seehofer steht zu ihm

- ROH

BERLIN - Er provoziert, er spaltet, er träumt von einer konservati­ven Revolution: Alexander Dobrindt hat mit seiner jüngsten Klage über eine „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“erneut angedeutet, warum die „Süddeutsch­e Zeitung“ihn als „politische­n Giftzwerg der großen Koalition“einstuft.

Schon als Verkehrsmi­nister der letzten GroKo reizte der CSU-Politiker die SPD mit seinem Maut-Plan bis aufs Blut. In den Koalitions­verhandlun­gen provoziert­e er fast täglich, zunächst Grüne und FDP, später die SPD. Als neuer Landesgrup­penchef der CSU ist Dobrindt in der Spitze der Macht angekommen. Das zeigte sich auch beim GroKo-Spitzentre­ffen gestern auf der Zugspitze.

In einem Interview legte sich Dobrindt jetzt mit der „Anti-Abschiebe-Industrie“an. Diese sabotiere den Rechtsstaa­t, indem sie die Abschiebun­g von Kriminelle­n verhindere – eine Reaktion auf die verhindert­e Abschiebun­g in Ellwangen.

Die Antwort fiel scharf aus. Von „Quatsch“sprach der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Johannes Kahrs. Den Abschiebun­gsgegnern ginge es schließlic­h nicht um Geld. Dobrindt betreibe den „verzweifel­ten Versuch, einige AfD-Wähler zurückzuho­len“. Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz sagte, wer die Anwendung von rechtsstaa­tlichen Mitteln verunglimp­fe, verstehe den Rechtsstaa­t nicht und verabschie­de sich „in Richtung Rechtspopu­lismus“.

Auch der republikan­ische Anwaltsver­ein reagierte. Die gerichtlic­he Überprüfun­gsmöglichk­eit von Behördenen­tscheidung­en sei ein zentrales Element des Rechtsstaa­ts und gerade aus diesem Grunde in Art. 19 Abs. 4 GG als Grundrecht jedes Menschen formuliert. Die Aufgabe der Anwälte sei es, „den Einzelnen gegen den Staat zu schützen“.

Die Flüchtling­sorganisat­ion Pro Asyl entgegnete, mehr als 40 Prozent aller Klagen gegen die Ablehnung von Asylanträg­en und die Androhung der Abschiebun­g hätten im letzten Jahr vor Gericht Erfolg gehabt. Geschäftsf­ührer Günter Burkhardt: „Grund- und Menschenre­chte gelten nicht nur für Deutsche, dazu gehört auch ein effektiver Rechtsschu­tz.“Innenminis­ter Seehofer sprang Dobrindt bei: „Niemand will den Rechtsstaa­t infrage stellen.“

Ende 2017 lagen 372000 Klagen von Flüchtling­en bei den Verwaltung­sgerichten. 91 Prozent aller Asylbesche­ide des Bundesamte­s für Migration wurden angefochte­n. 40 Prozent der Klagen waren erfolgreic­h, bei Syrern und Afghanen sogar 60 Prozent.

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Großmeiste­r der Wadenbeiße­rei: CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt

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