Lasst den Bahnhof in Altona!
Anwohner des Mega-Bauprojekts kämpfen gegen „Stuttgart 21“vor ihrer Haustür
Diebsteich, das kannten viele Hamburger höchstens vom Blick aus dem S-BahnFenster. Doch seit ein paar Jahren schaut die ganze Stadt auf den Ort, an dem der neue Fernbahnhof Altona errichtet werden soll. Für die Deutsche Bahn ist das längst beschlossene Sache. Für die Anwohner nicht.
Seit die Pläne für den neuen Bahnhof 2014 bekannt wurden, regt sich Widerstand in Altona. Allem voran wettert die Initiative „Prellbock“gegen die Verlagerung des Fernbahnhofs von Altona nach Diebsteich. Rund 360 Millionen Euro kostet das Projekt, das auch städtebaulich bedeutend ist. Immerhin sollen auf dem freiwerdenden Gleisgelände künftig 1900 neue Wohnungen entstehen. Doch all das liegt noch einige Jahre entfernt. Bis Ende 2023 soll der neue Bahnhof fertig sein. In diesem Jahr ist Baustart – Grund genug für die Stadt, die eigenen Planungen voranzutreiben. „Und zwar mit den Bürgern vor Ort“, so Oberbaudirektor Franz-Josef Höing. Bei einer Bürgerveranstaltung im Kulturzentrum Fabrik mit 250 Anwohnern machte er deutlich, dass in der Umgebung des neuen Fernbahnhofs die Gewerbetreibenden und Anwohner nicht vertrieben werden. „Es geht nicht um Tabula rasa“, so Höing. Vielmehr solle jetzt der Dialog beginnen. Viele Anwohner sind jedoch skeptisch.
Etwa die kleine Schar, die die MOPO wenige Stunden vor der Veranstaltung in einem Café am jetzigen S-Bahnhof Diebsteich traf. „Buena Vista“heißt der kleine Laden, in dem Osmar Laurente aus Kuba die Skeptiker bewirtet. „Hier, wo wir sitzen, soll der West-Eingang des Bahnhofs hinkommen“, erklärt Anwohnerin Gotlind Birkle. „Dort“, sie zeigt auf einen Grabsteinhandel, „da wird repräsentative Bebauung entstehen, Wohnungen, Hotels.“Das „Buena Vista“würde schon weit vorher weichen müssen – für die Zufahrtsstraße zur Großbaustelle.
Die Protestler vergleichen das Megaprojekt vor ihrer Haustür mit „Stuttgart 21“: „Der Bahnhof Diebsteich ist sinnlos, ineffizient und eine riesige Verschwendung von Steuergeldern“, heißt es in einem Flugblatt. Sie möchten, dass alles so bleibt, wie es ist.
Doch an den Plänen ist offensichtlich nicht zu rütteln. „Die Bahnhofs-Verlegung ist Sache der Deutschen Bahn“, betont Oberbaudirektor Höing gestern Abend mehrfach. Was Senat und Anwohner jetzt gemeinsam schaffen könnten, sei die Entwicklung des Standorts drum herum.
„Der Bahnhof wird den Standort verändern, das müssen wir steuern“, sagt er. Rund ein Viertel der Umgebungsfläche gehöre mittlerweile der Stadt, darunter das Gelände von Thyssen-Krupp und das der Deutschen Post. Weitere Flächen sollen hinzukommen, kündigte er an. Ob und wie die Gebiete entwickelt werden können, solle durch die Ideen der Bürger mitgestaltet werden. „Wie könnte zum Beispiel ein Sportpark aussehen? Wie eine bessere Anbindung an den Eimsbüttler Marktplatz?“, fragte Höing.
Die Stadt habe sich noch auf nichts festgelegt – außer auf eine neue Verbindungsstraße vor dem künftigen Bahnhof. Die Anwohner blieben gestern Abend dennoch skeptisch. „Das ist Ihr gutes Recht. Es liegt an uns, Sie jetzt zu überzeugen“, so Höing.