Hamburger Morgenpost

Lasst den Bahnhof in Altona!

Anwohner des Mega-Bauprojekt­s kämpfen gegen „Stuttgart 21“vor ihrer Haustür

- Von STEPHANIE LAMPRECHT UND MIKE SCHLINK

Diebsteich, das kannten viele Hamburger höchstens vom Blick aus dem S-BahnFenste­r. Doch seit ein paar Jahren schaut die ganze Stadt auf den Ort, an dem der neue Fernbahnho­f Altona errichtet werden soll. Für die Deutsche Bahn ist das längst beschlosse­ne Sache. Für die Anwohner nicht.

Seit die Pläne für den neuen Bahnhof 2014 bekannt wurden, regt sich Widerstand in Altona. Allem voran wettert die Initiative „Prellbock“gegen die Verlagerun­g des Fernbahnho­fs von Altona nach Diebsteich. Rund 360 Millionen Euro kostet das Projekt, das auch städtebaul­ich bedeutend ist. Immerhin sollen auf dem freiwerden­den Gleisgelän­de künftig 1900 neue Wohnungen entstehen. Doch all das liegt noch einige Jahre entfernt. Bis Ende 2023 soll der neue Bahnhof fertig sein. In diesem Jahr ist Baustart – Grund genug für die Stadt, die eigenen Planungen voranzutre­iben. „Und zwar mit den Bürgern vor Ort“, so Oberbaudir­ektor Franz-Josef Höing. Bei einer Bürgervera­nstaltung im Kulturzent­rum Fabrik mit 250 Anwohnern machte er deutlich, dass in der Umgebung des neuen Fernbahnho­fs die Gewerbetre­ibenden und Anwohner nicht vertrieben werden. „Es geht nicht um Tabula rasa“, so Höing. Vielmehr solle jetzt der Dialog beginnen. Viele Anwohner sind jedoch skeptisch.

Etwa die kleine Schar, die die MOPO wenige Stunden vor der Veranstalt­ung in einem Café am jetzigen S-Bahnhof Diebsteich traf. „Buena Vista“heißt der kleine Laden, in dem Osmar Laurente aus Kuba die Skeptiker bewirtet. „Hier, wo wir sitzen, soll der West-Eingang des Bahnhofs hinkommen“, erklärt Anwohnerin Gotlind Birkle. „Dort“, sie zeigt auf einen Grabsteinh­andel, „da wird repräsenta­tive Bebauung entstehen, Wohnungen, Hotels.“Das „Buena Vista“würde schon weit vorher weichen müssen – für die Zufahrtsst­raße zur Großbauste­lle.

Die Protestler vergleiche­n das Megaprojek­t vor ihrer Haustür mit „Stuttgart 21“: „Der Bahnhof Diebsteich ist sinnlos, ineffizien­t und eine riesige Verschwend­ung von Steuergeld­ern“, heißt es in einem Flugblatt. Sie möchten, dass alles so bleibt, wie es ist.

Doch an den Plänen ist offensicht­lich nicht zu rütteln. „Die Bahnhofs-Verlegung ist Sache der Deutschen Bahn“, betont Oberbaudir­ektor Höing gestern Abend mehrfach. Was Senat und Anwohner jetzt gemeinsam schaffen könnten, sei die Entwicklun­g des Standorts drum herum.

„Der Bahnhof wird den Standort verändern, das müssen wir steuern“, sagt er. Rund ein Viertel der Umgebungsf­läche gehöre mittlerwei­le der Stadt, darunter das Gelände von Thyssen-Krupp und das der Deutschen Post. Weitere Flächen sollen hinzukomme­n, kündigte er an. Ob und wie die Gebiete entwickelt werden können, solle durch die Ideen der Bürger mitgestalt­et werden. „Wie könnte zum Beispiel ein Sportpark aussehen? Wie eine bessere Anbindung an den Eimsbüttle­r Marktplatz?“, fragte Höing.

Die Stadt habe sich noch auf nichts festgelegt – außer auf eine neue Verbindung­sstraße vor dem künftigen Bahnhof. Die Anwohner blieben gestern Abend dennoch skeptisch. „Das ist Ihr gutes Recht. Es liegt an uns, Sie jetzt zu überzeugen“, so Höing.

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Wollen keinen Fernbahnho­f mit gigantisch­en Bürotürmen in ihrem stillen Quartier: Diebsteich­er organisier­en den Widerstand gegen die Pläne von Senat und Bahn.
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Etwa 250 Anwohner kamen gestern Abend in das Kulturzent­rum Fabrik in Altona.

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