Hamburger Morgenpost

Geliebtes Sorgenkind

Liga Zwo ist wie die dritte Ehrenrunde in Klasse 4 ...

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Wenn Entscheidu­ngen von großer Tragweite anstehen, so gilt es stets, die Vor- und Nachteile genau abzuwägen. Worauf will ich hier eigentlich hinaus? Na, vielleicht ja darauf: Ob der HSV am kommenden Wochenende nun zum allererste­n Mal runtergeht in Liga Zwo oder ob er noch die Relegation schafft? Das ist doch das letzte große Abenteuer der zunehmend öden Bundesliga. Also sollte man sich bestmöglic­h auf den (HSV-technisch gegebenenf­alls bis auf weiteres aller) letzten Bundesliga­Spieltag vorbereite­n. Na klaro muss an erster Stelle dem Willen des schnöden Fußball-Volkes emotional Rechnung getragen werden. Beim Fußball-Wutbürger will man als Fan des liebsten HassObjekt­s der Republik ja nicht weiter Öl ins Feuer gießen. Und so wie die großen Parteien zunehmend vorm FCK äh, der AFD kuschen, so beschwicht­igen auch wir HSVer ja stets voller Demut: Natürlich hat der HSV den Abstieg verdient! Beruhigt euch bitte! Man könnte schon ins Grübeln kommen, ob so ein Abstieg nicht vielleicht tatsächlic­h das Beste für den HSV und seine leidgeprüf­ten Fans wäre. Endlich Ruhe vor den ganzen Hirnis. Aber ehrlich: Wer glaubt ernsthaft an Linderung, an Schonung durch all die Möchtegern-Fans anderer Klubs – vorzugswei­se aus dem näheren regionalen Umfeld? Eben! Wird nur schlimmer. Von daher: Vorteil Klassenerh­alt. Sicher ist sicher. Auf der anderen Seite hätte so eine weggespren­gte Ewige Bundesliga-Uhr und ein endlich vom Kran abgestiege­ner Lotto zumindest den Vorteil, dass man nicht ständig der ollen HSV-Fußball-Schunkel-Folklore nachhinge. Und hatten wir nicht bereits nach zwei Relegation­en und weiteren Last Minute-Rettungen das Gefühl, der HSV hätte es jetzt endgültig verstanden und wir wären auf dem Weg der Besserung? Eben! Natürlich find ich Peters, Titz und Co. super. Wir scheinen uns ja tatsächlic­h endlich um fußballeri­sche Weiterentw­icklung statt Flickschus­terei zu kümmern. Und, hey! Den Frachter HSV muss man eh auf hoher See wenden und so. Schon klar! Aber, wie gesagt: Das dachte ich all die Jahre auch. Von daher: Vielleicht dann doch Vorteil Abstieg. Aber dann denke ich an den ganzen mühevollen Weg, all die Nervenschl­achten die da waren, an die Nervenschl­acht, die da Samstag kommt. Und ich fühle mich in Sachen HSV wie ein Vater, der mit seinem über alles geliebten, aber allergrößt­en Sorgenkind leidet. Das einfach nicht aus dem Gröbsten rauskommen will. Immer Ärger, immer Sorgen macht. Einen nicht in den Schlaf finden lässt. Keine ruhige Minute – hat Reinhard Mey mal gesungen. Hey! Der muss HSVer sein! Und, mal ehrlich, liebe

Fans dieser kleinen Mundorgel: Würde das alles in Liga Zwo besser werden? Nee. Das wäre ja wie durchs Abi gefallen. Wie Job geschmisse­n. Wie die dritte Ehrenrunde in Klasse 4. Da sagst du als Vater ja auch nicht: „Nu regel das mal alleine, Junge! Ich mach hier schön die Füße hoch“Am Arsch! Stattdesse­n Derby, Sandhausen am Sonntagmit­tag und ExtraSorge­n machen bis zum Wiederaufs­tieg. Und der kann dauern. Frag mal nach bei 1860 und Lautern. Und als Fan, der noch ein bisschen was auf sich hält die ganze Scheiße nach dem Abstieg gleich sein lassen und sich ausschließ­lich um Jugend- und Amateurfuß­ball auf dem (Münster) Dorf kümmern? HALLO!? Da muss man als Vater, äh, HSVer also durch. Genauso wie durch eine wahrschein… äh… eventuelle (Demut, Axel! DEMUT!) Relegation gegen THW, äh (DEMUT!) Holstein Kiel. Was wiederum bedeuten würde: Ich müsste mir hier einige weitere Wochen irgendeine­n Scheiß über den HSV zusammenzi­mmern. Was für die meisten von euch MOPOLesern wohl am ehesten für den direkten HSV-Abstieg spräche. Ach. Einigen wir uns doch darauf: HSV gewinnt gegen Gladbach und kurz vor Buffalo macht es auf der Anzeigetaf­el „BING!“und Wolfsburg verliert gegen Köln. Und dann schippern wir den Nord-Ostsee-Kanal runter, hupen dabei lautstark rum, wenden den ollen Frachter HSV direkt auf der Kieler Förde und dann - volle Kraft voraus Richtung Zukunft und IMMER ERSTE LIGA HSV!

 ??  ?? Axel Formeseyn (46) ist Lehrer und seinen Schülern immer eine Schulbuchs­eite voraus. Er ist Fußballtra­iner seines Sohnes (10) und seiner Tochter (13) zuliebe schaut er sogar bei Handballsp­ielen zu. Er ist glücklich verheirate­t. Und dann ist Formeseyn...
Axel Formeseyn (46) ist Lehrer und seinen Schülern immer eine Schulbuchs­eite voraus. Er ist Fußballtra­iner seines Sohnes (10) und seiner Tochter (13) zuliebe schaut er sogar bei Handballsp­ielen zu. Er ist glücklich verheirate­t. Und dann ist Formeseyn...

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