Die Blitz-Katastrophe
Gewitter richten im Osten Hamburgs in wenigen Minuten schwere Schäden an. Warum es solches Extrem-Wetter häufiger geben wird
Für viele Menschen in Hamburgs Osten ist seit Donnerstagabend nichts mehr so, wie es einmal war. Straßen in Bergedorf, Lohbrügge und Oststeinbek sind von knöchelhohem Schlamm bedeckt, die Gehwegplatten davongeschwemmt, Autos wurden in Gräben versenkt. Ein Haus in Lohbrügge ist unbewohnbar – die Wassermassen haben eine metertiefe Schlucht vor dem Gebäude gerissen und es unterspült. Es droht nun einzustürzen, die Bewohner sind geschockt. Die MOPO hat mit ihnen gesprochen. Gitta Tromp steht auf einer Grünfläche am Dünenweg in Lohbrügge. Sie stützt die Hände in die Hüften und seufzt. „40 Jahre“, sagt Tromp, „habe ich hier gewohnt. Und jetzt ist alles vorbei.“Sturm „Ursula“hat das dreistöckige Haus, in dem die 75-Jährige wohnt, mit am schlimmsten getroffen. 60 Liter Regen pro Quadratmeter kamen hier am Donnerstag vom Himmel – pro Stunde!
Die Sintflut unterspülte das Gebäude, das auf einer kleinen Anhöhe steht. Plötzlich rutschten Erdmassen ab, Teile des Hauses hängen in der Luft, der ehemalige Parkplatz gleicht nun einer Schlucht. Ein Auto wurde in die Tiefe gerissen.
Es ist das Auto von Ina (37) und Dietrich (38) Koch. „Wir sind in dem Unwetter nach Hause gekommen und haben gesehen: Es ist alles zerstört, auch unser Auto“, sagt Ina Koch. Den BMW hatten sie erst seit zwei Wochen. Gestern Mittag ist das Wasser vor ihrem Haus abgeflossen. Hinein darf trotzdem erst mal niemand. „Statiker prüfen, wie sehr das Haus einsturzgefährdet ist“, sagt Markus Tanne, Vorstand der Baugenossenschaft, als er mit ernster Miene vor die Presse tritt. „Es kann sein, dass nicht mehr alle der 22 Bewohner in ihre Wohnungen können, um persönliche Gegenstände zu retten.“Ein Schock für Familie Koch und Gitta Tromp. „Wenigstens konnte meine Tochter eben noch meine Medikamente aus der Wohnung holen“, sagt Tromp. Gerade
haben Retter eine Katze und einen Vogelkäfig aus dem Haus getragen. „Unsere Wellensittiche“, sagte Ina Koch mit Tränen in den Augen. „Die gehören unseren Kindern.“Familie Koch darf nun ebenfalls noch kurz in ihre Wohnung. Mutter Ina trägt die Schulranzen ihrer beiden Kinder aus dem Haus. Die meisten Nachbarn wohnen nun erst mal bei Verwandten.
Sechs Kilometer nördlich hat der Sturm ebenfalls Menschen aus ihrem Haus vertrieben. Gerade noch rechtzeitig retteten sich die Bewohner eines Fachwerkhauses am Mühlenteich in Oststeinbek – wenig später wäre das nicht mehr ohne Hilfe möglich gewesen: Das Haus steht jetzt auf einer Insel.
Die Regenfälle haben dafür gesorgt, dass die Glinder Au nicht mehr nur durch ein Wehr neben dem Haus abfließt, sondern ein zwölf Meter breites Loch in die steinerne Uferbefestigung gerissen hat. Mehr als 50 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk arbeiten daran, das Loch zu stopfen. Es ist einer von insgesamt 1171 Einsätzen in 24 Stunden. Die Männer und Frauen stapeln Sandsäcke, um einen Damm zu dem Haus zu bauen, und fällen eine Tanne, die den neuen Fluss aufhalten sollte. „Das Haus ist wegen der Unterspülung akut gefährdet“, sagt Werner Nölken, Sprecher der Feuerwehr. Auch der angrenzende Mühlbetrieb könnte betroffen sein.
14 Autominuten entfernt liegt der Heckkatenweg (Bergedorf ). Die ruhige Straße geht von der Bundesstraße 5 (B5) ab. Auf der B5 ist nur am Rand ein wenig Asphalt weggeschwemmt worden. Der Heckkatenweg liegt aber unterhalb der B5 und verläuft abschüssig. „Das ganze Wasser ist durch unsere Straße geschossen“, berichtet Anwohner Andreas Wolf (44). Auf dem Asphalt bildete sich in wenigen Minuten ein Strom, der Gehwegplatten vom Bürgersteig abdeckte und bis zu ein Meter tiefe Gräben in den Fußweg spülte.
Weil die Siele unter der Straße voll und die Gullys vom aufgeschwemmten Sand verstopft waren, lief umso mehr Keller und Wo nungen voll. „Neben u wohnt eine junge Frau in ner Untergeschosswo nung“, sagt Andreas Wo „Sie konnte ihre Tür weg des Wasserdrucks nicht mehr öffnen, wir mussten ihre Fenster einschlagen.“
Ein paar Häuser weiter rettete die Feuerwehr ei nen Rollstuhlfahrer, dessen Wohnung überschwemmt war. „So etwas haben wir noch nie erlebt“sagen die Anwohner am Heckkatenweg ungläub Gestern begann das lan Aufräumen. Und noch im mer waren sie hier damit b schäftigt, mit Eimern ih Keller zu leeren.