Darum tragen wir heute alle Kippa!
Ab 17 Uhr steht Hamburg auf gegen Antisemitismus und Gleichgültigkeit
Er will ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen – und setzt sich dafür eine Kippa auf! Georg H. Büsch, Autor des folgenden Textes, ist Mit-Organisator des sogenannten Hamburger Kippa-Tages – alle Interessierten sind heute eingeladen, um 17 Uhr zum Joseph-Carlebach-Platz im Grindelviertel zu kommen und sich die Kopfbedeckung, die es vor Ort gibt, aufzusetzen. Im Folgenden schreibt er, warum ihm die Aktion so wichtig ist:
Die Anlässe, aus denen in ganz Deutschland Menschen das Bedürfnis spürten, ihrer Solidarität mit ihren jüdischen Mitbürgern Ausdruck zu verleihen, waren zuletzt keine schönen. Als vor einigen Wochen die Echopreise an Rapper verliehen wurden, die offen rassistischen und judenfeindlichen Hohn verbreiten, war bei mir der Punkt erreicht, an dem ich die Füße nicht mehr stillhalten konnte.
Die Familie meiner Frau kommt mütterlicherseits aus Israel. Eine geliebte, heute über 70-jährige Tante war ein Kind, als sie im letzten Moment aus dem Deportationszug nach Neuengamme oder Auschwitz aussteigen durfte und ihre Mutter mit ihr. Andere hatten nicht dieses Glück. Meine beiden Söhne, sechs Monate und 5 Jahre alt, sind Juden. Und Christen. Und Hamburger. Vor allem Menschen.
In meiner eigenen Familie führte die Entzweiung durch unterschiedliche Bekenntnisse – mein Vater ist Christ, seine beiden Schwestern Nazis – so weit, dass ich meine Tanten nie kennenlernte, obwohl eine sogar in der Nachbarschaft lebte. Mein Vater trug dennoch einen schwarzen Schlips, als sie in den frühen 90er Jahren verstarb. Diese Generation war stumm. Wenn ich heute laut gegen Antisemitismus protestiere, dann auch deshalb, weil die Aufarbeitung ein identitätsstiftender Bestandteil meiner Identität als Deutscher ist.
Ich bin an sich kein Freund von Demonstrationen. Zu leicht macht sich dort eine sehr subjektive Empörung Luft und es ändert sich nichts. Ich wollte aber etwas unternehmen, wollte sichtbar machen, dass die barbarischen Anfeindungen gegen Juden im Jahr 2018 nicht das sind, was meine Heimat ausmacht. Schnell fand ich in meiner Nachbarin, Michal Hirsch, eine Mitstreiterin. Und wir ließen uns vom Berliner Kippa-Tag inspirieren.
Dennoch wird die Hamburger Aktion einen anderen Schwerpunkt haben: Mitten im jüdisch geprägten Grindelviertel wollen wir zusammen mit der jüdischen Community feiern, dass das achtsame Miteinander das Zusammenleben in unserer Stadt prägt.
Wir freuen uns auf Grußworte von Shlomo Bistritzky, Landesrabbiner der jüdischen Gemeinde, von Daniel Abdin aus der muslimischen Community und von Probst Dr. Karl-Henrich Melzer aus der nordkirchlichen Bischofskanzlei .
Wir wollen keine politische Veranstaltung sein. Und keine religiöse. Es geht viel mehr um Inspiration und die gelebte Kultur des Zuhörens. Daher wird der kulturelle Höhepunkt unser kleinen Aktion eine szenisch-literarische Überra- schung der Kammerspiele Hamburg sein. Mit dabei: die Schauspielern Anne Schieber und die Schauspieler Frank Roder und Dirk Hoener. Danach darf dann auch getanzt werden.
In der Vorbereitung zum Kippa-Tag stellte ich übrigens diese Frage an meine Mitorgansiatoren: „Was ist eigentlich das Gegenteil von einem Antisemiten?“Prompte Antwort von Michal Hirsch, die ebenso umsichtig wie energetisch die Netzwerke für unsere Aktion spinnt: „Ein Mensch.“