Der Popstar des Jazz
Pianist Michael Wollny über seinen großen Erfolg und extrem kritische Kollegen
Er ist in diesem Jahr der herausragende Pianist beim Elbjazz Festival: Gleich vier Konzerte spielt Pianist Michael Wollny am ersten JuniWochenende! Längst werden der blasse Schlaks und seine Klaviertrio-Mitstreiter Christian Weber und Eric Schaefer auch international für ihre Improvisationen gefeiert. Ihre Musik ist offen für Abenteuer und Experimente – so wie auch der 39-Jährige selbst, wie er im Gespräch mit der MOPO verrät.
MOPO: Was zeichnet einen Star aus?
Michael Wollny: Was ist ein Star … ich glaube, ein heimischer Vogel (lacht).
Nun sind Sie zwar kein heimischer Vogel, aber sind Sie ein Star?
Ja, man liest so etwas immer wieder und wundert sich. Ich bin über die Aufmerksamkeit, die mir in den letzten Jahren entgegenschlägt, sehr glücklich. Aber zu sagen, ich fühle mich jetzt als Star, das würde mir nicht über die Lippen kommen.
Das klingt sehr bescheiden und sympathisch, aber wie heißt es so schön im Volksmund: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommst du ohne ihr.
Ich glaube, das Gegenteil ist wahr. Wenn ich auf die Bühne gehe, interessiert mich die Interaktion mit den Elementen vor Ort: mit den Musikern, den Zuhörern, den Instrumenten und der Akustik.
Und Sie nehmen nicht wahr, dass da bisweilen 2000 und mehr Menschen sitzen?
Mir ist schon bewusst, dass es teilweise schon surreal große Räume sind, die wir füllen. Das ist eine unglaubliche Entwicklung – doch in dem Moment, wo der erste Ton erklingt, ist es nicht viel anders als vor 15 Jahren, als wir noch in Clubs spielten.
Das klingt, als würde Ihnen das Rampenlicht wenig bedeuten.
Ich schätze die Aufmerksamkeit – dafür bin ich wirklich dankbar, denn das ist überhaupt nicht selbstverständlich, zumal mit der Musik, die wir spielen.
Weniger freundliche Zeitgenossen merken an, Ihr Erfolg resultiere aus dem Umstand, dass Sie der Popstar des Jazz seien …
Über den Star haben wir ja schon gesprochen … (lacht). Zweifellos machen das Label und der Verlag eine sehr gute Öffentlichkeitsarbeit und dafür bin ich enorm dankbar. Und angesichts der Musik, die wir machen, ist es in der Tat ein unheimlich großer Kreis, der zuhört.
Nun gibt es Musikerkollegen wie Wynton Marsalis, die solche Neuerungen im Jazz schlicht als „Bullshit“bezeichnen.
Es gibt sicher gute Argumente für Marsalis’ Meinung, Jazz definiere sich über eine bestimmte stilistische Abgeschlossenheit. Doch ebenso gibt es Argumente für meine Ansicht, dass sich Jazz eher aus der Haltung speist – Musik muss vor allem mit dir selbst zu tun haben.
Und was heißt das konkret in Ihrem Fall?
Natürlich bin ich, wie viele meiner Kollegen, von PopMusik, Klassik und anderen Songs umgeben sowie von einer bestimmten Art von Rhythmik und Harmonik – und wenn ich improvisiere, dann kann ich das nicht künstlich ausblenden, sondern das ist eine Art DNA, die mein Musizieren prägt. Und das offenbar vor allem in der Nacht, wie wir spätestens seit Ihrem Album „Nachtfahrten“wissen – sind Sie ein Geschöpf der Nacht? Ich befürchte ja (lacht) … In der Nacht funktioniert vieles anders, und wenn ich nachts Sachen schreibe oder spiele, dann sind die Dunkelheit und die Nacht eine ideale Umgebung – einfach weil so viel Raum vorhanden und Konzentration möglich ist. Das klingt, als zöge Sie die schwarze Romantik mit all ihren Abgründen geradezu an.
Ja – und wenn man länger darüber nachdenkt, finden sich da auch durchaus Parallelen zur Musik. Angefangen von den Grenzüberschreitungen über das Improvisieren als Spiel am Abgrund, wo man jederzeit abstürzen kann, bis hin zur Suche nach dem Unbekannten. Oder auch Zustände wie Fieber, Ekstase, sich aus dem Bewussten herauszubewegen und das Unbewusste zu suchen.