Ein Gigant tritt ab
Bayern-Trainer Heynckes verlasst die Buhne. Sein Freund Gunter Netzer sagt exklusiv in der MOPO, warum er so erfolgreich war
Ganz egal, wie das 75. Finale um de DFB-Pokal heute in Berlin ausgeht: Auf Münchner Seite werden jede Menge Tränen fließen. Denn mit Bayern-Trainer Jupp Heynckes tritt einer der ganz Großen des deutschen Fußballs ab. Diesmal für immer.
Noch einmal, das steht definitiv fest, wird der 73-Jährige nicht – wie im vergangenen Herbst – schwach werden. Selbst wenn sein Nachfolger Niko Kovac (46), der heute das letzte Mal auf der Bank von Eintracht Frankfurt sitzt, scheitern sollte. Heynckes’ enger Freund Günter Netzer (73), mit dem er jahrelang bei Borussia Mönchengladbach und manchmal auch in der deutschen Nationalmannschaft überaus erfolgreichen Offensivfußball zelebrierte, kann gut verstehen, dass er endgültig aufhört.
Der MOPO sagte der frühere Spielmacher: „Jupp hat das richtig entschieden. Der Job ist, so wie er ihn betrieben hat, mit einer enormen Belastung verbunden. Er ist so besessen vom Fußball, er hat so akribisch und zielstrebig gearbeitet, dass für ihn auch um Mitternacht nicht Schluss war. Dies ist in seinem Alter nicht über einen längeren Zeitraum möglich.“
Dass die Münchner Macher Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß lange und mit allen Mitteln um den Giganten kämpften, ist für Netzer nachvollziehbar. Heynckes sei bereits ein großartiger und charakterstarker Fußballspieler gewesen, der sich nie verändert habe, bis heute stets authentisch geblieben sei. „Dies haben seine Spieler verstanden und verinnerlicht. Jupp hat eine perfekte Mischung aus Autorität und teilweise einem Umgang als Freund gefunden. So hat er ein Klima geschaffen, das die Spieler auffordert, ihm zu folgen und ihre Leistungen zu verbessern.“
Übrigens: Netzer ist überzeugt davon, dass der FC Bayern mit Kovac eine gute Wahl getroffen hat: „Er tritt in große Fußstapfen. Aber schon als er nach Frankfurt ging, habe ich ihn für einen sehr guten Trainer gehalten. Und es ist sicherlich erleichternd für ihn, dass er schon mal als Profi bei den Bayern war und die Führungspersonen gut kennt.“
Christian Titz formte beim HSV innerhalb weniger Wochen aus einem Trümmerhaufen eine Mannschaft, die mit ihrer Spielweise Fans und Kritiker begeisterte. Doch wie gelang dem damaligen Nobody die Kehrtwende im Volkspark? In der MOPO verrät die HSV-Legende und der enge Titz-Vertraute Thomas von Heesen, wie der Trainer den ganzen Klub weckte.
„Wir wussten, dass wir die Fans wieder mit ins Boot holen mussten“, erinnert sich Thomas von Heesen, der als Sparringspartner für Titz und sportlicher Berater des Vorstands im Volkspark installiert worden war.
Nach der 0:6-Klatsche in München und der folgerichtigen Entlassung von Ex-Coach Bernd Hollerbach am 12. März war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Von Heesen: „Die Fans wollen Fußball sehen und kein Gebolze. Wir wussten, dass wir nur über eine attraktive Spielweise ihre Gunst zurückgewinnen konnten und wenn die Anhänger wieder Typen auf dem Rasen sehen, mit denen sie sich identifizieren können. Dazu mussten wir die Mannschaft fußballerisch weiterentwickeln. “
Dass Titz dafür genau der richtige Mann war, wusste der Europapokalsieger von 1983 sofort. Schließlich hatte die HSV-Legende häufiger Auftritte der U21 unter Titz gesehen, sich zudem über die hochmoderne Trainingsgestaltung informiert.
„Die Spieler haben einen Moment gebraucht, um die neue Spielweise zu verstehen“, sagt von Heesen: „Aber der Trainer hat es mit seiner fachlichen Kompetenz und seiner Empathie schnell geschafft, auch die größten Zweifler von sich und seiner Arbeit zu überzeugen.“
Der 378-malige Bundesligaspieler (100 Tore) bildete mit Titz in den vergangenen Wochen ein unzertrennliches Duo, sah sich jede Trainingseinheit im Volkspark an und diskutierte fast täglich mit Trainer und Team über die Neuausrichtung. „Wir haben zudem sehr viele Gespräche mit den Spielern geführt. Der Trainer hat jedem Profi klar vermittelt, was er von ihm erwartet“, sagt von Heesen. Dabei schreckte Titz auch nicht vor unangenehmen Entscheidungen zurück, sortierte Spieler wie Walace und Mergim Mavraj aus.
Um die Profis an das neue System zu gewöhnen, wurde in kleinen Zonen trainiert, in der jeder Spieler Lösungen für Spielsituationen an die Hand bekam. „Der Trainer war ehrlich, hat den Spielern gesagt, dass es hart werden wird. Das hat man auch in den Trainingseinheiten gesehen, die Wiederholungsanzahl war extrem hoch. Jede Einheit wurde nur dann beendet, wenn der Trainer das Gefühl hatte, dass jeder Profi die Spielidee verinnerlicht hatte.“Mit Erfolg: Das zeigt auch die Titz-Tabelle. In acht Spielen unter seiner Leitung schaffte es der HSV auf den sechsten Platz. Der gebürtige Mannheimer holte mit den Rothosen starke 1,625 Punkte im Schnitt pro Partie.
Für von Heesen die logische Konsequenz der erfolgreichen Arbeit: „Christian Titz lässt hochmodern trainieren, ist empathisch und sympathisch und sehr bodenständig. Kurz gesagt: Er bringt genau das mit, was der HSV in diesem Moment benötigt.“