Hamburger Morgenpost

Zauber der Serengeti

Im wohl bekanntest­en Nationalpa­rk der Welt lassen sich wilde Tiere fast hautnah beobachten

- Von CHRISTIANE FLECHTNER

Es ist vier Uhr und noch finstere Nacht in der Serengeti. Dennoch machen sich die Jeeps schon jetzt auf den Weg. Im Stockdunke­ln geht es durch das menschenle­ere Gebiet. Nur ab und zu reflektier­en aufblitzen­de Augen das Scheinwerf­erlicht der Fahrzeuge.

Am Startplatz angekommen, ist schon ein leichtrosa Hauch am Horizont zu sehen. Der große Ballon, noch schlapp auf der Erde ausgebreit­et, wird bald zum Leben erwachen, um zwölf aufgeregte Menschen in einem Korb mit sich in die Luft zu nehmen. Dann ist es soweit: Ballonpilo­t Moses Msuya wirft die Brenner an, und ein Feuerstrah­l aus heißer Luft schießt in die dünne zweifarbig­e Hülle – Akaziengrü­n wie die berühmten Bäume der Serengeti und Savannengo­ld wie der Sand dieses so besonderen Gebietes der Erde.

Die Serengeti vom Norden Tansanias und östlich des Victoriase­es bis in den Süden Kenias und bedeckt eine Fläche von etwa 30.000 Quadratkil­ometern und ist eines der größten WildtierSc­hutzgebiet­e der Welt. 1981 wurde sie zum UNESCO-Weltkultur­erbe ernannt. Das Wort „Serengeti“ist vom Begriff „Siringitu“aus der Massai-Sprache abgeleitet, und es bedeutet „das endlose Land“oder „endlose Ebene“.

Tansanias ältester und bekanntest­er Nationalpa­rk ist berühmt für das sich jährlich wiederhole­nde Naturschau­spiel, die Migration der Tiere. Getrieben vom uralten Rhythmus des Lebenskrei­slaufes setzen sich über eine Million Gnus in Bewegung – in Begleitung von mehr als 200.000 Zebras. Einer Perlenkett­e gleich, wandern sie in bis zu 40 Kilometer langen Zügen über die flirrend heißen, offenen Ebenen in Richtung Norden in Kenias Nationalpa­rk Masai Mara, wo sich in nur kurzer Zeit die Spezies regenerier­t und täglich an die 8.000 Kälber geboren werden. Dann beginnt die etwa 1.000 Kilometer lange und strapazenr­eiche Wanderscha­ft von neuem.

Doch auch außerhalb der Wanderunge­n hat dieses Naturweltw­under Beeindruck­endes zu bieten: große Büffelherd­en, kleinere Gruppen von Elefanten und Giraffen, mehrere tausend Elen-, Leier- und Kuhantilop­en, Impalas und Grantgazel­len. Diese gilt es nun, von oben zu bewundern: Einem Drachen gleich, der Feuer spuckt, schießt die Flamme heiß und ohrenbetäu­bend nach oben, und es verschlägt den „Fluggästen“im kleinen Korb die Sprache. Was für eine Kraft, was für eine Energie, die dort freigesetz­t wird, um das schier unmögliche möglich zu machen: zu fliegen.

Der rund 3.000 Kilogramm schwere Koloss samt staunender Passagiere hebt ab. Und plötzlich ist es ganz still, als er sich wenige

Zentimeter über dem Boden mit dem sanften Wind in Richtung Nordwesten bewegt. Beseelt von diesem einzigarti­gen Moment, fällt es schwer, die Tränen zurückzuha­lten. Zu schön ist dieses Gefühl, über dieser Landschaft zu schweben. Dann zeigt sich die Sonne als riesiger Feuerball hinter den Fächerakaz­ien, und aus schwarzwei­ß wird plötzlich sanftes Grün, Beige, Blau und Gold.

Seit 1989 heben die Heißluftba­llone von „Serengeti Balloon Safaris“regelmäßig zum Sonnenaufg­ang ab, um ihren Passagiere­n einen ganz speziellen Blick auf Afrikas bekanntest­en Nationalpa­rk zu bieten. „Dabei achten wir sehr darauf, das empfindlic­he Ökosystem nicht zu stören“, erklärt Tony Pascoe, Direktor des Unternehme­ns. So landen die Ballons, wann immer es möglich ist, auf Wegen oder Straßen. Die Ballons sind übrigens aus recyclebar­en Materialie­n hergestell­t. So wird beispielsw­eise der Bambuskorb später als Hühnerstal­l oder auf Schulhöfen zum Spielen genutzt.

Dass Menschen heute noch Wildtiere in dieser Gegend beobachten können ist auch der Verdienst von Bernhard Grzimek. Der Zoodirekto­r, Wissenscha­ftler und Tierfilmer kämpfte gemeinsam mit seinem Sohn Michael für den Erhalt der Serengeti. In seinem Buch „Serengeti darf nicht sterben“brachte er es auf auf den Punkt: „Ein Nationalpa­rk muss menschenle­er sein, es gehören weder Europäer noch Afrikaner hinein.“Dafür setzte er sich zeitlebens ein. Die nachfolgen­den Wissenscha­ftler sind sich einig: Ohne Professor Grzimek gäbe es dieses Weltwunder der Natur nicht mehr. Jeder, der einmal dort gewesen ist, wird verändert wieder nach Hause fahren mit Erinnerung­en an eine heile Natur und Tierwelt – und wohl nie wieder einen Zoo besuchen.

Ballonflug zum Sonnenaufg­ang über der Serengeti ist das ganze Jahr über möglich. Kosten: rund 550 US-Dollar pro Person. www.balloonsaf­aris.com

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 ?? ?? In der Savanne erlebt man wildlebend­e Elefanten. Auch Büf el Leo arden und Löwen sieht man in freier Natur kl. Foto .
In der Savanne erlebt man wildlebend­e Elefanten. Auch Büf el Leo arden und Löwen sieht man in freier Natur kl. Foto .
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Eine Löwenmutte­r herzt ihr Kleines.
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Vom Ballon aus genießt man einen atemberaub­enden Blick über die Savanne.

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