Zauber der Serengeti
Im wohl bekanntesten Nationalpark der Welt lassen sich wilde Tiere fast hautnah beobachten
Es ist vier Uhr und noch finstere Nacht in der Serengeti. Dennoch machen sich die Jeeps schon jetzt auf den Weg. Im Stockdunkeln geht es durch das menschenleere Gebiet. Nur ab und zu reflektieren aufblitzende Augen das Scheinwerferlicht der Fahrzeuge.
Am Startplatz angekommen, ist schon ein leichtrosa Hauch am Horizont zu sehen. Der große Ballon, noch schlapp auf der Erde ausgebreitet, wird bald zum Leben erwachen, um zwölf aufgeregte Menschen in einem Korb mit sich in die Luft zu nehmen. Dann ist es soweit: Ballonpilot Moses Msuya wirft die Brenner an, und ein Feuerstrahl aus heißer Luft schießt in die dünne zweifarbige Hülle – Akaziengrün wie die berühmten Bäume der Serengeti und Savannengold wie der Sand dieses so besonderen Gebietes der Erde.
Die Serengeti vom Norden Tansanias und östlich des Victoriasees bis in den Süden Kenias und bedeckt eine Fläche von etwa 30.000 Quadratkilometern und ist eines der größten WildtierSchutzgebiete der Welt. 1981 wurde sie zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Das Wort „Serengeti“ist vom Begriff „Siringitu“aus der Massai-Sprache abgeleitet, und es bedeutet „das endlose Land“oder „endlose Ebene“.
Tansanias ältester und bekanntester Nationalpark ist berühmt für das sich jährlich wiederholende Naturschauspiel, die Migration der Tiere. Getrieben vom uralten Rhythmus des Lebenskreislaufes setzen sich über eine Million Gnus in Bewegung – in Begleitung von mehr als 200.000 Zebras. Einer Perlenkette gleich, wandern sie in bis zu 40 Kilometer langen Zügen über die flirrend heißen, offenen Ebenen in Richtung Norden in Kenias Nationalpark Masai Mara, wo sich in nur kurzer Zeit die Spezies regeneriert und täglich an die 8.000 Kälber geboren werden. Dann beginnt die etwa 1.000 Kilometer lange und strapazenreiche Wanderschaft von neuem.
Doch auch außerhalb der Wanderungen hat dieses Naturweltwunder Beeindruckendes zu bieten: große Büffelherden, kleinere Gruppen von Elefanten und Giraffen, mehrere tausend Elen-, Leier- und Kuhantilopen, Impalas und Grantgazellen. Diese gilt es nun, von oben zu bewundern: Einem Drachen gleich, der Feuer spuckt, schießt die Flamme heiß und ohrenbetäubend nach oben, und es verschlägt den „Fluggästen“im kleinen Korb die Sprache. Was für eine Kraft, was für eine Energie, die dort freigesetzt wird, um das schier unmögliche möglich zu machen: zu fliegen.
Der rund 3.000 Kilogramm schwere Koloss samt staunender Passagiere hebt ab. Und plötzlich ist es ganz still, als er sich wenige
Zentimeter über dem Boden mit dem sanften Wind in Richtung Nordwesten bewegt. Beseelt von diesem einzigartigen Moment, fällt es schwer, die Tränen zurückzuhalten. Zu schön ist dieses Gefühl, über dieser Landschaft zu schweben. Dann zeigt sich die Sonne als riesiger Feuerball hinter den Fächerakazien, und aus schwarzweiß wird plötzlich sanftes Grün, Beige, Blau und Gold.
Seit 1989 heben die Heißluftballone von „Serengeti Balloon Safaris“regelmäßig zum Sonnenaufgang ab, um ihren Passagieren einen ganz speziellen Blick auf Afrikas bekanntesten Nationalpark zu bieten. „Dabei achten wir sehr darauf, das empfindliche Ökosystem nicht zu stören“, erklärt Tony Pascoe, Direktor des Unternehmens. So landen die Ballons, wann immer es möglich ist, auf Wegen oder Straßen. Die Ballons sind übrigens aus recyclebaren Materialien hergestellt. So wird beispielsweise der Bambuskorb später als Hühnerstall oder auf Schulhöfen zum Spielen genutzt.
Dass Menschen heute noch Wildtiere in dieser Gegend beobachten können ist auch der Verdienst von Bernhard Grzimek. Der Zoodirektor, Wissenschaftler und Tierfilmer kämpfte gemeinsam mit seinem Sohn Michael für den Erhalt der Serengeti. In seinem Buch „Serengeti darf nicht sterben“brachte er es auf auf den Punkt: „Ein Nationalpark muss menschenleer sein, es gehören weder Europäer noch Afrikaner hinein.“Dafür setzte er sich zeitlebens ein. Die nachfolgenden Wissenschaftler sind sich einig: Ohne Professor Grzimek gäbe es dieses Weltwunder der Natur nicht mehr. Jeder, der einmal dort gewesen ist, wird verändert wieder nach Hause fahren mit Erinnerungen an eine heile Natur und Tierwelt – und wohl nie wieder einen Zoo besuchen.
Ballonflug zum Sonnenaufgang über der Serengeti ist das ganze Jahr über möglich. Kosten: rund 550 US-Dollar pro Person. www.balloonsafaris.com