Behörde behauptet: „Nichts vertuscht!“
Sollten Tipps nicht allzu genau geprüft werden?
BERLIN - Neue Fragezeichen im Skandal um fragwürdige Bescheide in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Laut Recherchen von „Spiegel Online“, NDR und „SZ“wusste man in der Nürnberger Zentrale des Amtes schon eine ganze Weile von den Vorgängen in Bremen – ging der Sache aber nur höchst unwillig nach. Der Skandal kommt Innenminister Horst Seehofer immer näher.
Die Alarmglocken schrillten schon 2016: Damals kamen anonyme Hinweise, dass in der Bremer Außenstelle nicht alles mit rechten Dingen zuging. Über Anwälte kamen mehr als 2000 Fälle aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in Bremen an, die dort gar nichts zu suchen hatten und die oft im Eilverfahren durchgewinkt wurden. Auch ablehnende Beschlüsse anderer Bundesländer wurden in Bremen aufgehoben oder abgeändert. Im Februar 2017 erreichten die Warnungen die Zentrale in Nürnberg. Wo ein Abteilungsleiter wenig begeistert war – man möge sich die Sache „geräuschlos“ansehen. Aber nicht allzu genau: „Ich möchte nicht, dass alles bis ins Detail geprüft wird.“Seine Sorge: Der Vorgang drohe, „ein schlechtes Bild auf das Bundesamt werfen“. Auch die Nachfolgerin der verdächtigen Amtsleiterin, Josefa Schmid, schlug Alarm und suchte das Gespräch mit Minister Seehofer. Der ging nicht ans Telefon, Schmid wurde gegen ihren Willen von Bremen zurück nach Bayern versetzt.
Erst acht Monate nach Bekanntwerden des Problems in Nürnberg beauftragte das BAMF die interne Revision. Amtsleiterin Jutta Cordt will von der müden Reaktion ihres Abteilungsleiters nichts gewusst haben.
Mittlerweile ermitteln Bremens Staatsanwälte gegen die suspendierte Leiterin der Außenstelle, drei Anwälte und einen Dolmetscher. Auch zehn weitere BAMF-Filialen, in denen auffallend viele oder auffallend wenige Anträge bewilligt wurden, werden nun überprüft.
Amtsleiterin Jutta Cordt wies in einer internen Sitzung auf die „Ausnahmesituation“ in ihrer Behörde wegen des massiven Flüchtlingszuzugs 2015 hin. Das BAMF erklärte, von einer Vertuschung könne keine Rede sein: Eine interne Überprüfung sei schließlich „unverzüglich eingeleitet“worden.
FDP und AfD reicht das nicht, beide Parteien fordern einen Untersuchungsausschuss: Ob Horst Seehofer (CSU) die Öffentlichkeit korrekt informiert hat, will FDP-Chef Christian Lindner wissen. Sonst würde für den Innenminister „der Umgang mit der Krise gefährlicher als die Krise selbst“.