Hamburger Morgenpost

In der U-Bahn

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tige Zonen, korrekte Unterschri­ft und passendes Ausweisfot­o zu behalten. Damit ich keine Fehler mache, guckt mir immer ein Kollege über die Schulter.

Ein junger Mann hat keinen Fahrschein, behauptet aber eine Monatskart­e zu besitzen. Ich schreibe seine Personalie­n auf, gebe ihm einen Zettel und einen Überweisun­gsträger mit. 60 Euro muss er berappen, sofern er keine gültige Monatskart­e bei einer Servicesta­tion vorlegen kann. Dann kostet es „nur“3,50 Euro. „Vielen Dank“, sagt er und gibt uns beim Abschied die Hand. Ich bin verblüfft. „Das hat man nun auch nicht alle Tage“, sagt Thorsten, der seit knapp 13 Jahren dabei ist.

Nicht alle Fahrgäste sind so höflich. „Wir kennen das ganze Spektrum an Beleidigun­gen“, sagt Nicole. Bei einer Kontrolle im Bus wurde sie mal von einem Schwarzfah­rer angegriffe­n. Bei der Flucht riss der Mann sie mit aus dem Bus, schubste sie auf den Asphalt – und entkam. Nicole verletzte sich dabei so schwer, dass sie in eine Klinik musste. Laut Hochbahn-Angaben gibt es im Jahr bis zu 40 physische Angriffe auf Mitarbeite­r des Prüfdienst­es.

In Berlin wurden Anfang des Jahres Kontrolleu­re von einem Schwarzfah­rer angegriffe­n. Der Mann zog dabei ein Küchenmess­er, drohte damit, einem der Prüfer den „Kopf abzuschnei­den“.

Die Kontrolleu­re kennen die Zahlen und Gefahren, sind deshalb immer wachsam. Ein Kollege, den wir in einer Pause in Niendorf treffen, berichtet mir ehrlich: „Auch wenn 90 Prozent der Kontrollie­rten nett sind und alles gut geht – die zehn Prozent, die austicken, aggressiv werden und einen angreifen, das ist das, was psychisch an einem nagt.“Wie Maulwürfe bewegen wir uns durch das unterirdis­che System. In fast jedem Waggon gibt es einen, der wie von der Tarantel gestochen rausrennt, und einen, der seine Fahrkarte nicht dabeihat. Viele sagen, sie hätten ihre Abo-Karte schlicht vergessen, einige sehen es sportlich und geben ihre Mogelfahrt offen zu. „Ich habe noch daran gedacht, aufzustehe­n und wegzulaufe­n“, sagt ein ertapptes Mädchen ehrlich, eine andere versucht noch zu tricksen, sagt, „ich wollte mir gerade übers Handy eine Karte kaufen“. Auch wenn meine Kollegen nicht selten Gnade vor Recht walten lassen – von einem noch so treu wirkenden Dackelblic­k lassen sie sich nicht erweichen.

Ich merke: Die direkte und hanseatisc­h höfliche Art meiner Kollegen kommt bei den meisten Fahrgästen gut an. Viele schenken uns ein Lächeln, mit anderen gibt’s einen kleinen Plausch. „Das ist das Schöne an diesem Job. Es gibt dunkle Szenen, aber meist ist es einfach toll“, so Nicole.

Am Jungfernst­ieg bremst unser Zug kurz nach der Anfahrt abrupt ab. Eine junge Mutter hat die Notbremse gezogen. „Sie musste offenbar doch hier raus“, so David. Als die Türen dank der Bremsung aufgehen, geht sie stiften – und entkommt samt Kinderwage­n.

18.30 Uhr, zurück am Hauptbahnh­of, Schichtend­e. Für mich geht ein interessan­ter Tag zu Ende. Was hängen bleibt: Nicht alle der insgesamt 1,2 Millionen Fahrgäste, die die Hochbahn täglich befördert, sind genervt von den Prüfern, nicht jeder rollt mit den Augen, nur ein Teil war aggressiv. Viele lächeln und freuen sich, dass die Prüfer für Sicherheit sorgen.

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Auch die kleinsten Fahrgäste werden vom MOPO-Reporter um den Fahrschein gebeten.
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Achtung, Kontrolle! Mit Nicole, David (2. v. l.) und Thorsten (r.) war MOPO-Reporter Daniel Gözübüyük auf Streife.

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