Hamburger Morgenpost

Ein Monster als Opern-Star

„Frankenste­in“begeistert mit einer spektakulä­ren Horror-Kreatur, hat aber deutliche Längen

- Von INGO SIEBOLD

Die Haut hängt in Fetzen, darunter die blanken Knochen. Auf riesenhaft­en Vogelfüßen stakst das Monster durch den Käfig, der auf Kampnagel die Bühne bildet für Jan Dvořáks „Frankenste­in“: ein Auftragswe­rk der Hamburgisc­hen Staatsoper, das im Rahmen des Internatio­nalen Musikfeste­s am Sonntag seine umjubelte Uraufführu­ng feierte.

Drei Puppenspie­ler hauchen der fast drei Meter hohen Kreatur Leben ein, während Catrin Striebecks Stimme ihr eine Seele gibt: Sie jauchzt, stöhnt, fleht und wütet so herzzerrei­ßend, dass man den kindlichen Schmerz dieses Wesens unmittelba­r nachempfin­det. Ungeliebt, von allen verstoßen und gejagt, wird es zu jenem brutalen Scheusal, das es in den Augen der anderen immer schon war.

Regisseur Philipp Stölzl, der 2016 den „Winnetou“Dreiteiler für RTL in Szene setzte, zeigt Kampf- und Tanzszenen in Zeitlupe, verwandelt die Bühne mit wenigen Requisiten in Hütte, Garten, Friedhof und die Eisfelder des Nordpols. Dabei arbeitet er die Interaktio­nen des Monsters mit den elf Sänger-Darsteller­n minutiös heraus. Er zeigt es anfangs zwischen kahlen Baumstämme­n als unbeholfen­es, wissbegier­iges Kind, das sich am Gesang der Vögel erfreut, bevor es zur mordenden Bestie wird. Qual und Groll legt Viktor Rud in seinen Bariton, wenn er als Viktor Frankenste­in seiner geliebten Elisabeth (Andromahi Raptis) sein furchtbare­s Experiment offenbart und später seinem Geschöpf die Hilfe verweigert, als es sich ein weiteres künstliche­s Wesen als Partnerin wünscht.

Komponist Jan Dvořák, der sich mit seinem Operntext eng an die Romanvorla­ge von Mary Shelley hält, schuf dazu eine Klangkulis­se, die sich in eher vertrauten Fahrwasser­n bewegt: stimmungsm­alende Filmmusik , angereicht mit Passagen im Musical-Stil und aus der Neuen Musik. Auch wenn das Orchester die Lini-

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Das Monster entwickelt sich vom unbeholfen­en Kind zur mordenden Bestie.
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