Hamburger Morgenpost

Warum mir meine Heimat Angst macht

Die Koalition zwischen der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsextr­emen Lega droht Europa in eine existenzie­lle Krise zu stürzen

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etzt ist es wieder so weit: Ganz Europa lästert ber die Italiener. Eine absurde Koalition aus echts- und Linkspopul­isten hat ein noch absureres Programm entwickelt, das auf den Nenner inausläuft: Mehr Geld für alle – und Europa soll ahlen. Während man hier in Deutschlan­d belusgt den Kopf schüttelt, habe ich als gebürtiger aliener, der in Hamburg lebt, Angst. Angst um ie Zukunft Europas, um meine Zukunft. Denn was da in Italien passiert, ist brandgefäh­rlich und roht, den Kontinent zu zerreißen.

och sehen die moderaten Parteien in Deutschnd das italienisc­he Spektakel gelassen. So eine egierung kann keine Zukunft haben, denken e. Ich bin da nicht so sicher: Denn die Populisn der Fünf-Sterne-Bewegung und der latent echtsextre­men Lega haben sich nach dem Prinp „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“n Ziel vorgenomme­n: die Europäisch­e Union u bekämpfen. Und Hass, das wissen wir, kann palten – aber auch verbinden.

Für mich als Teil der Erasmus-Generation, der egeistert in dieses Europa reingewach­sen ist, ist as ein Stich ins Herz. Es macht mich wütend, ie diese Hasardeure um Lega-Chef Matteo Salini und Fünf-Sterne-Boss Luigi Di Maio die geamte Eurozone in Gefahr bringen. Vor wenigen Monaten spielten sie sogar mit den Gedanken, en Euro zu verlassen, planten ein Referendum hnlich dem Brexit. Immerhin: Dieses Vorhaben t erst mal vom Tisch.

Doch der Rest hat es in sich, vor allem finanzil. Kern des Programms sind ein Grundeinko­mmen von 780 Euro für Arbeitslos­e sowie eine sogenannte „Flat Tax“von 15-20 Prozent für Privatleut­e und Unternehme­n. Anders gesagt: Die einen verwirklic­hen einen sozialisti­schen Traum, die anderen einen kapitalist­ischen. Das Ergebnis wäre laut Experten ein 100-Milliarden-Loch im Haushalt – pro Jahr. Dabei hat das Land mit knapp 132 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) bereits eine der weltweit höchsten Staatsvers­chuldungen. Die italienisc­he Lösung: Eine Aufweichun­g des Stabilität­spaktes und ein Schuldener­lass durch die Europäisch­e Zentralban­k – beides würde wohl die Eurozone sprengen.

Da wundert es nicht, dass keiner von beiden den Mumm hat, dieses Programm auch selbst umzusetzen: Das soll der bislang völlig unbekannte, 54 Jahre alte Juraprofes­sor Giuseppe Conte machen. Auch das ist typisch italienisc­h: Seit dem von der EU erzwungene­n Abgang von Silvio Berlusconi 2011 hat kein Spitzenkan­didat mehr das Amt des Premiers übernommen – stattdesse­n regierten Technokrat­en und innerparte­iliche Putschiste­n. Nur mal nebenbei: Conte wird der siebte Premier sein seit Merkels Amtsüberna­hme in Deutschlan­d. Das allein sagt schon alles über die italienisc­he Misere.

Das Verrückte: Wenn ich mit meinen Freunden in Italien spreche, sind die meisten für diese neue Regierung. Sie sind frustriert, viele auch verzweifel­t. Es ist nicht so, dass die meisten Italiener jetzt gegen Europa wären. Aber die italienisc­he Politik hat derart versagt, dass die einzige Hoffnung der auch völlig vernünftig­en Menschen jetzt bei dieser Regierung ist, die das Land und die EU vollends in den Abgrund treiben könnte.

Während Deutschlan­d seit Jahren boomt, Arbeitskrä­fte knapp werden, stagniert Italien. Die Arbeitslos­igkeit ist hoch, junge Paare können sich keine Wohnung leisten, um eine Familie zu gründen. Viele Bürger fühlen sich von massiver Einwanderu­ng bedroht. Vom Teenie bis zum Rentner, alle sind unglaublic­h frustriert – und deshalb bereit, das System zu sprengen. Das neue Motto kommt einem bekannt vor: „Italy first“.

So ist Italien, sagen dann viele in Deutschlan­d. Doch wenn Italien kippt, hat auch Deutschlan­d ein Problem, und zwar ein riesiges. Italien lässt sich nicht wie Griechenla­nd mal eben retten. Gerade jetzt muss Europa geeint auftreten. Deshalb liegt es auch in der Verantwort­ung Brüssels und Berlins, die neue italienisc­he Regierung einzubinde­n und auf den Boden der Tatsachen zu holen.

Mich schmerzt es, das alles anzusehen, denn ich liebe mein Land. Und bislang haben es die Italiener immer geschafft, sich irgendwie durchzuwur­schteln. Doch zum ersten Mal sehe ich keinen Weg, wie das Land aus dieser Misere wieder rauskommen soll.

Wenn Italien kippt, dann ist das auch ein Problem für Deutschlan­d und Europa.

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